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■ Urdrüs wahre KolumneWir schlachten nur Einheimische

Die Vereinigung ehrenamtlicher Schiedsleute (Landesverband Bremen/Bremerhaven) hat auf ihrer Sommertagung im Marschenhof bei Wremen beschlossen, Versuche zur gütlichen Einigung in Beleidigungsfällen nur noch bei einfachen Verbalinjurien wie Arschloch, Hirnwichser, REIKI-Lehrer oder willfähriges Frettchen der Monopol-Bourgeoisie anzunehmen. Bei Attacken mit den Schimpfwörtern Brigitte Dreyer, Dieter Wilhelmi oder Richard Skribelka ist künftig nur noch das Jüngste Gericht als Entscheidungsinstanz zugelassen.

So wirbt die Hardrock-Band NACKT & GRAUSAM aus dem hannöverschen Umland für ihre „specktackuläre Bühnen-show: Schöner Lärm, wie Mozart es nie geschafft hat. Erhebende Gefühle wie auf dem Reichsparteitag. Der Sänger singt so laut, daß die Girls ihm die Tampons in den Hals werfen. Andi an den Drums macht die Mädels heiß wie die Bremsen von Michael Schumacher. Und Mark an der Gitarre ist ein echtes Ficktier.“ Vermutlich im Zivilstand alles Bullizisten und Bundis mit Goldkettchen und Freundin mit Silberkettchen an den Füßen und mit Stammgast-Whiskeyflasche im Pupasch oder Pflaumenbaum... Echt nett eben!

„Hier werden nur Einheimische geschlachtet!“ Mit diesem Reklamespruch im Schaufenster machen die Gebrüder Ossenkopp im Dörfchen Steinbergen dicht an der Autobahn Hannover-Bielefeld auf die ff. Delicatessen ihrer Fleischerei aufmerksam. Da nun ist natürlich kein Veganer, der solcher Barbarei die Stirn bietet und für das Recht der ansässigen Landbevölkerung eintritt, in Frieden alt und grau zu werden.

Während die Damen der Evangelischen Frauenhilfe in Bremen ihren Herrn und Meister Jesus Christus ganz ohne dritten Hahnenschrei verleugnen und aus den sinnstiftenden Statuten mit dem PieCie-Kugelschreiber heraustreichen, um vielleicht in Zukunft als protestantische Marien-Kongregation tätig zu werden, ist auf dem Lande bei Nienburg die Welt noch in Ordnung, und der Schützenfestausschuß verkündet galant: „Während die Männer Bier und Erbsensuppe fassen, kredenzt der Festwirt den Damen Toast Hawai und nach Wahl ein Glas Mosel oder Limonade sowie eine rote Rose als Spende der Raiffeisen-Genossenschaft!“ (Mit solch langen Sätzen üben wir schon mal für den Heinrich von Kleist-Wettbewerb 1996).

Schöne Grüße aus der Peinlichkeit: Die Merlin-KreAktiv-Wohngemeinschaft“ lädt zum Ferienkurs für Gruppen und Familien mit „Plastizieren, Emaillieren, Musizieren und in der Schwitzhütte Transpirieren“ in ihr „Paradies am Teutoburger Wald“ ein. Zu futtern gibt es „Rohköstliches mit viel Liebe zusammengestellt“ sowie Ziegenmilch und -käse von „unserer Nelli mit ihren Schwestern und Freundinnen“. Und was macht man abends bei Kreaktiv-Familie Merlin? Na? Na klar! Singen und Scherzen am Lagerfeuer und die Seele baumeln lassen bei Wein vom Faß von einer ökologischen Winzergenossenschaft aus der Toscana, mit der wir uns über die mystische Achse der Externsteine verbunden wissen im Glauben an die Harmonie als heilende Kraft!“ Kleine Taschenlampe brenn. Und die Mehrwertsteuer wird auf Wunsch extra ausgewiesen...

Wer mich auf dem Weg zu den Merlins oder ihren Vettern besuchen möchte, melde sich bitte für ein karges Nachtlager an unter meiner neuen Rufnummer 05751/958493, sofern Bereitschaft besteht, sich bei dringenden Gartenarbeiten und Entrümpelungen engagiert unter das Joch nehmen zu lassen.

Ulrich Reineking

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