■ Die Union verbietet Schwarz-Grün: Schlußpunkt ohne Ende
Man reibt sich die Augen: Die Union trifft sich in Bonn, um höchstinstanzlich schwarz-grüne Spekulationen in Bund und Ländern zu beenden. Grüne Strategen können sich mit innerem Behagen zurücklehnen, auch wenn ihre Spitzenleute die Aussichten auf eine Zusammenarbeit mit der Partei Manfred Kanthers und Alfred Dreggers im Bund heute ebenfalls als „realitätsfern“ (Jürgen Trittin) abtun: Eine deutlichere Bestätigung ihrer Erfolgsgeschichte als dritte politische Kraft ist kaum denkbar als der Versuch der Union, die eigenen Schäfchen nun mit einem elektrisch geladenen Zaun von Ausflügen auf die grüne Wiese abzuhalten.
Dabei ist es doch eine alte Erfahrung: Wenn die Autoritäten erst mal ein Verbot verhängen, ist es meist schon längst zu spät. CSU-Generalsekretär Protzner freut sich allen Ernstes über den „Schlußpunkt“ der Schwarz-Grün-Diskussion. Dabei gibt es kaum ein dümmeres Verfahren, ein Thema aus der Welt zu schaffen, als ein Redeverbot. Die Spekulationen werden nur noch mehr an Reiz gewinnen, wenn es für Schwarze jetzt auch noch gefährlich wird, laut nachzudenken. Die jüngeren Fraktionschefs der Union in den Bundesländern, die öffentlich mit den Grünen flirten, werden sich für den Maulkorb jedenfalls bedanken. Dabei wird kaum einer von ihnen die Gefahr übersehen, daß die Volkspartei Union am rechten Rand an Integrationsfähigkeit verlieren würde, wenn es jemals zum Schwur mit den Grünen käme. Aber auch ein CDU-Generalsekretär Peter Hintze kann heute kaum erklären, warum die Zusammenarbeit mit den Grünen in vielen Kommunen klappt, in Ländern aber tabu sein soll.
Bis ins nächste Jahrtausend gilt das Verbot laut Kohl: Das sind gerade viereinhalb Jahre. Das weiß bei den Bündnisgrünen auch die Generation nach Joschka Fischer, der nicht müde wird, sich als „Achtundsechziger“ zu bekennen. Den jüngeren Politikerinnen und Politikern von Grünen und Union gilt aber auch ein CDU-Mann Hintze als „Achtundsechziger“, weil er die gleichen Formen der politischen Abgrenzung und Feindidentifizierung praktiziert wie seine gleichaltrigen linken Kontrahenten. Den Jungen sind kleine Ergebnisse wichtiger als große Sprachrege-
lungen.
Weil es bei ihren Kontakten nicht nur um Inhalte, sondern auch um Kommunikationsformen geht, hat die SPD in diesem Spiel so schlechte Karten: Die inzwischen mächtigen streitenden „Enkel“ Willy Brandts im Alter von fast 50 Jahren sind die Jüngsten in ihrer Partei und lassen dem Nachwuchs kaum eine Chance. Die Mitglieder der „Pizza-Connection“, des jungen grün-schwarzen Abgeordnetenkreises, sehen zumindest in Bonn bei den wenigen Nachwuchsparlamentariern der SPD keine Beweglichkeit und wenig Reformfreude.
Das vage Unionsversprechen von mehr Grün im Schwarz allein hilft gegen die dritte Kraft nicht weiter. Es ging den Unionsstrategen vor allem darum, vor der Sommerpause Ruhe zu verordnen und dem siechen Partner FDP mit aufmunternden Worten über den Urlaub zu helfen. Aber ohne FDP sieht alles anders aus. Ohne Kohl erst recht. Wenn es morgen um Machtübernahme oder Machterhalt geht, werden die Maulkörbe von heute schnell wieder abgeschnallt. Hans Monath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen