: „Zwischen zwei Mühlsteine geraten“
■ Deutsche UnterstützerInnen des Kairoer Professors Abu Zaid fürchten, daß Ägypten zur geistigen Wüste wird
Köln (taz) – Die Attacken gegen den ägyptischen Koranwissenschaftler Nasr Hamid Abu Zaid, der Mitte Juni in Kairo als Apostat verurteilt und von seiner Frau Ibtihal Yunis zwangsgeschieden wurde, hat in Ägypten eine beispiellose Solidaritätskampagne ausgelöst. Darauf wies Nabil Yaaqub, Deutschlandkorrespondent der ägyptischen Zeitung al-Ahali, am Dienstag abend auf einer Podiumsdiskussion in Köln hin. Abu Zaid sei in Ägypten „zwischen zwei Mühlsteine geraten“, auf der einen Seite stünde die offizielle Politik, die nicht zu Reformen bereit sei, auf der anderen die islamistische Minderheit, die gewaltsame Veränderungen wolle. „Ich befinde mich in einer paradoxen Situation“, hatte der Koranwissenschaftler vor wenigen Tagen gegenüber Yaaqub geäußert, „der ägyptische Staat finanziert meine Leibwächter und finanziert gleichzeitig die Zeitungen, die mich mit dem Tode bedrohen“.
Als „einen empörenden Präzedenzfall für die gesamte islamische Welt“, bezeichnete der Islamwissenschaftler Navid Kermani die Entscheidung des Gerichts. „Sollte das Urteil Bestand haben, läuft Ägypten Gefahr, sich in eine geistige Wüste zu verwandeln.“ Kermani, einer der Gründer des deutschen Unterstützungskomitees für Abu Zaid, betonte, daß sich der Fall nicht ohne weiteres mit Salman Rushdie oder Taslima Nasrin vergleichen lasse. Zwar habe sich Abu Zaid solidarisch mit Rushdie erklärt, es würde ihm jedoch schaden, ihn mit Rushdie „in einen Topf zu werfen“, denn die Inhalte des Linguisten und gläubigen Muslims seien fundamental andere, er vertrete einen explizit islamischen Standpunkt. „Ich verehre den Koran mehr als alle Orthodoxen“, zitiert Kermani den Wissenschaftler.
Dem bundesdeutschen Unterstützungskomitee ist es gelungen, zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen für die Unterstützung des bedrohten Ehepaars zu gewinnen. Darunter auch die wegen ihrer Äußerungen zum Mordaufruf gegen Salman Rushdie umstrittene Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel. Neben einzelnen PolitikerInnen wie Freimut Duve (SPD), Christian Schwarz- Schilling (CDU) und Brigitte Schumann (Bündnisgrüne) haben sich PEN Deutschland sowie der Schriftstellerverband VS solidarisiert. Besonders eng ist die Zusammenarbeit des Unterstützungskomitees für Abu Zaid mit dem deutschen Rushdie-Komitee, als dessen Vertreterin Karin Clark auf der Kölner Veranstaltung sprach. Günter Wallraff, der auf das Podium geladen war, aber aus Termingründen absagen mußte, hat sich ebenfalls zur Unterstützung bereit erklärt, mit einer Einschränkung: Er wolle sich nicht mit Annemarie Schimmel an einen Tisch setzen. Wera Reusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen