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Frankreich ruft die UNO an

■ Paris droht den Australiern wegen der angeblichen Verletzung von Handelsverträgen / Enkel von Otto Hahn gibt Französisches Ehrenkreuz zurück

Paris/Sydney (AP/AFP) – Die französische Regierung will jetzt den Spieß umdrehen und die internationale Kritik an den französischen Atomversuchen in der Südsee ablenken. Im Streit mit Australien sollen die UNO und die Welthandelsorganisation (WTO) eingreifen. UN-Generalsekretär Butros Ghali solle einen möglichen Verstoß Australiens gegen die Wiener Konvention über die Privilegien und die Immunität von Diplomaten prüfen, hieß es in einer Erklärung des französischen Außenministeriums, die am Donnerstag abend in Paris veröffentlicht wurde. Die WTO solle sich mit möglichen Verletzungen internationaler Handelsverträge beschäftigen.

Außerdem droht Frankreich nun seinerseits mit einer Blockade australischer Güter. So sollten die Verträge zum Import australischer Kohle geprüft werden. Das staatliche Stromversorgungsunternehmen EDF wurde angewiesen, auf ein unrentables Kooperationsprojekt mit einer australischen Gesellschaft zu verzichten. Ferner erklärte Frankreich seine Absicht, kein Uran mehr in Australien einzukaufen. Der australische Handelsminister Bob McMullan hält die angedrohten Sanktionen für einen Bluff. „Es ist unwahrscheinlich, daß die französische Regierung geltende Verträge brechen wird“, so McMullan. Die Spannungen verschärften sich merklich, seit die australische Regierung aus Protest gegen die Atomversuche den Rüstungskonzern Dassault von einem Millionenauftrag ausschloß. Paris rief daraufhin seinen Botschafter zurück.

Der australische Außenminister Gareth Evans hat die Vermutung geäußert, daß Frankreich den Beginn der neuen Serie von Atomversuchen auf diesen Monat vorziehen wird. „Ich wäre nicht überrascht, wenn das schon nächste Woche wäre“, sagte Evans am Freitag vor Journalisten in Sydney. Der Außenminister verwies darauf, daß die Vorbereitungen für die Serie von sieben oder acht unterirdischen Versuchen auf dem Südsee-Atoll Moruroa schon weit gediehen seien. Frankreich werde aber „aus Anstand“ wahrscheinlich den 50. Jahrestag des Abwurfs der Hiroshima-Bombe abwarten, der am Sonntag begangen wird.

Staatspräsident Jacques Chirac hat den Testbeginn für September angekündigt. Den genauen Termin will die französische Regierung bis zur letzten Minute geheimhalten. Zu Wochenbeginn waren aus Expertenkreisen in Paris bereits Überlegungen bekannt geworden, den ersten Versuch vorzuverlegen, um neuen Protesten von Greenpeace und anderen Atomtestgegnern vor Moruroa zuvorzukommen. Das Verteidigungsministerium hatte dies jedoch dementiert.

Aus Protest gegen die geplanten Atomwaffenversuche im Südpazifik hat der Enkel des Neutronenforschers Otto Hahn am Freitag im Namen seines Großvaters das Kreuz der Ehrenlegion an Frankreich zurückgegeben. In einem Brief an den französischen Präsidenten Jacques Chirac schrieb Dietrich Hahn: „Otto Hahn, der sich als Entdecker der Kernspaltung in ganz besonderer Weise für die verhängnisvolle und unabsehbare Entwicklung seit 1945 verantwortlich fühlte, hätte – lebte er noch – diesen internationalen Protest nicht nur begrüßt und unterstützt, sondern sich in die erste Phalanx der Protestierenden eingereiht.“

Der Chemienobelpreisträger Otto Hahn, als Entdecker der Kernspaltung und der Kernisomerie einer der „Väter“ der Atombombe, war 1959 von Charles de Gaulle wegen seiner herausragenden Verdienste um die deutsch- französischen Beziehungen zum Offizier der Französischen Ehrenlegion ernannt worden. Nach den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki hatte er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1968 entschieden für die Ächtung von Kernwaffen und Atomtests eingesetzt.

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