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BKA durchsucht taz-Redaktion

■ BKA-Überfall: Redaktion nach Schreiben der Roten Zora durchsucht (Siehe S. 1, 4 und 10)

Kaum waren die Redakteurinnen der Bremer taz gestern Morgen in die Redaktionsräume am Dobben gelangt, platzten pünktlich um 9.30 Uhr zwei Beamte des Bundeskriminalamts, drei Beamte der Bremer Kripo, Abteilung für Staatsschutz und ein Hamburger Staatsanwalt als Abgesandter des Generalbundesanwalt in die Redaktionskonferenz. Einsatzleiter Schulzke vom BKA klappte seine Stahlköfferchen auf und zockte einen Durchsuchungsbeschluß des Bundesgerichtshofs hervor. Die sechs Männer sollten für den Generalbundesanwalt ein Bezichtigungsschreiben der „Roten Zora“ suchen.

Die als „terroristische Vereinigung“ eingestufte Gruppe hatte am 27.7.95 einen Brief bei der taz anonym in den Briefkasten gesteckt. Demnach hatte die Rote Zora bereits drei Tage zuvor einen Sprengstoffanschlag auf eine Halle der Lürssen-Werft in Lemwerder verübt (taz v. 28. und 29.7.95). In der Außenmauer einer Werfthalle fand die Polizei lediglich ein fußballgroßes Loch. In dem Schreiben hatten die BekennerInnen erneut auf Lürssens Rüstungsgeschäfte mit der Türkei hingewiesen. Werftleitung und Polizei hatten damals den Anschlag nicht veröffentlicht, um eine Berichterstattung zu vermeiden.

„Wir suchen dieses Schreiben“, sagte Schulzke und wedelte mit einer Kopie des siebenseitigen Bekennerbriefs der Roten Zora herum. Wenn die taz-Redaktion diesen im Original herausrücken würde, dann könne man sich die Durchsuchung der Räume sparen, so der BKAler. „Die Durchsuchung der Redaktionsräume kann durch die Herausgabe des vorbezeichneten Schreibens einschließlich des dazugehörigen Briefumschlags abgewendet werden“, heißt es in dem Durchsuchungsbeschluß des Bundesgerichtshofes. Dies hat die taz abgelehnt, da eine Zeitung kein Hilfsorgan der Polizei sein kann.

Außerdem gibt es eine einschlägige Rechtsprechung zum Schutz von InformantInnen der Medien. Nach Paragraph 53 der Strafprozeßordnung fallen diejenigen Mitteilungen unter das Zeugnisverweigerungsrecht, die der Presse von außenstehenden Dritten anvertraut werden. Der Gesetzgeber versucht so, die Vertraulichkeit zwischen Medien und InformantInnen zu gewährleisten. Wenn das Zeugnisverweigerungsrecht nicht bestünde – so die Rechtssprechung und das Gesetz – wären unabhängige Recherchen nicht möglich, die Glaubwürdigkeit der Presse in der Bevölkerung wäre gefährdet.

Weder BKA noch Generalbundesanwaltschaft ließen sich gestern von der ohne weitere Begründung durch den BGH angeordneten Durchsuchung abbringen. Die zwei BKAler und der Bremer Staatsschützer streiften sich weiße Stoff-Handschuhe über und begannen mit der Suche nach dem Schreiben. Staatsanwalt Lund aus Hamburg schaute für den Generalbundesanwalt mal hier und mal dahin, die zwei Beamten der Bremer Kripo bewachten derweil die Tür. Nachdem die Staatsbediensteten bis 10.35 Uhr jedes Blatt Papier, jede Schublade und jede Akte in der Politik-Redaktion gewendet hatten, fanden sie nichts. „Wir sind latent mit dieser Erwartung gekommen“, gab Einsatzleiter Schulzke zu.

Auch an die Redaktion der Frankfurter Rundschau hatte die Rote Zora einen Bekennerbrief geschickt. Dort mußte das BKA nicht erst vorsprechen, die FR gibt Bekennerschreiben grundsätzlich an die Polizei weiter. „Das Original bekommt die Kripo, eine Kopie behalten wir“, sagte die Sekretärin der FR-Chefredaktion gestern zur taz. Normalerweise hole gar ein Beamter die Briefe aus der Redaktion.

Die Bremer taz „war die einzige durchsuchte Redaktion“ wegen des Briefes, sagte Gerhard Schlemmer, Sprecher des BKA, gestern auf Anfrage. Weder er noch sein Kollege bei der Generalbundesanwaltschaft, Rolf Hanich, können sich erinnern, wann das letzte Mal Redaktionen in Deutschland durchsucht worden sind. Auch in Bremen sind seit Kriegsende keine Redaktionen mehr durchsucht worden.

Im ZDF-Landesstudio sind das letzte Mal nach dem „Gladbecker Geiseldrama“ 1987 Filme für den staatlichen Untersuchungsausschuß abgeholt worden. Auf richterlichen Beschluß rückte das ZDF damals die Filme raus.

BKA und Generalbundesanwalt hatten, als sie in die taz-Räume eintraten, längst Kopien des Bekennerbriefes der Roten Zora und kannten den Inhalt. Sie suchten dennoch die taz-Kopie: „Das Original ist als Spurenträger für die weiteren Ermittlungen bedeutend“, so die Begründung von Rolf Hanich, Sprecher der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. Da es sich bei der Roten Zora um eine „terroristische Vereinigung“ gegen den Staat handele, habe der Genralbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen. Die Bremer Staatsanwaltschaft habe damit nichts zu tun.

Der Deutsche Journalistenverband hat die Übergriffe scharf kritisiert. „Das ist ein schwerwiegender Eingriff der Staatsgewalt in die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse“, sagte Theodor Klinger, Vorsitzender des Bremer Landesverbandes. Er begrüßte „ausdrücklich die konsequente Weigerung der Kolleginnen und Kollegen der Tageszeitung, das ihnen von Informanten anvertraute Material der Polizei auszuhändigen.“ Solange die Polizei sich mit Hilfe eines Durchsuchungsbefehls gegen deren Widerstand Zugang zu vertraulichen Daten oder internen Redaktionsunterlagen verschaffen könne, sei die „freie Berichterstattung in unserem Staat in höchster Gefahr.“

ufo

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