Sanssouci: Vorschlag
■ Kurzfilme beim „Festival de cine iberoamericano“ im Tacheles
Javier liegt auf seinem Bett, raucht und denkt an Marta, die ihn verlassen hat. Besessen von der Idee, den „Körper, der nur ihm bestimmt war“ von neuem zu besitzen, verschickt er sich selbst in einer hölzernen Kiste, auf der „zerbrechlich“ steht. Marta öffnet die unerwartete Geschenksendung mit Axthieben und spaltet dabei mehr als Holz. Alfons Amadors Kurzfilm „Das Geschenk“ (1995) spielt mit dem alten Klischee, daß es bei der Liebe in Spanien nicht ohne Obsession, Blut und Tragik abgeht. Zu sehen ist das zehnminütige Werk im Rahmen des iberoamerikanischen Filmfests, das seit zwei Wochen in der Camera im Tacheles läuft. Ab Freitag löst dort eine Auswahl venezolanischer und spanischer Kurzfilme und Videos das bisherige Spielfilmprogramm ab.
Dessen Konzeption vermochte nicht ganz zu überzeugen: Viele der gezeigten Produktionen aus Spanien und Lateinamerika liefen während der letzten Monate bereits in den Kinos, und Kassenschlager wie die kubanische Komödie „Erdbeer und Schokolade“ oder der mexikanische Publikumserfolg „Bittersüße Schokolade“ haben auf einem Festival, das sich als Forum für Neues versteht, nichts verloren. Zudem fehlten jüngere argentinische und chilenische Spielfilme, obwohl sie, wie etwa „Amnesia“ oder „Zeit der Rückkehr“, mit Diktatur, Exil und Demokratisierung zentrale Aspekte der lateinamerikanischen Wirklichkeit widerspiegeln.
Erst mit dem am Freitag beginnenden Kurzfilmprogramm zeigt das Tacheles wirklich junges, unabhängiges Kino. Eine Retrospektive von Filmen des venezolanischen Regisseurs Carlos Castillo ist angekündigt; daneben präsentiert das Projekt 7x1 zehn jeweils drei- bis vierminütige Werke, die in Caracas spielen und die Lebensverhältnisse der chaotischen Metropole nachzeichnen. „Stadtmond“ von Geyka Urdaneta etwa erzählt von einem Kind, das nicht länger als Straßenverkäufer arbeiten will und sich einer Jugendgang anschließt; in „Die Stadt der Angst“ zitiert Carmelo Candela die Form des Tourismus-Werbefilms, um Caracas am Rande des Zusammenbruchs zu porträtieren.
Das Projekt ist aus einem offenen Wettbewerb hervorgegangen, bei dem jeder, ob filmerfahren oder nicht, ein Drehbuch einsenden konnte. Mit den Produktionen von 7x1, den Arbeiten von Castillo und den spanischen Kurzfilmen bietet das Tacheles die Möglichkeit, Werke junger, unbekannter Regisseure zu sehen. Das „Festival de cine iberoamericano“ verspricht also doch noch spannend zu werden. Cristina Nord
Bis 23. August, Camera im Tacheles, Oranienburger Straße 54-56, Mitte. Heute 20 Uhr: „Asphalt-Haie“; 22.30 Uhr: „Santa Sangre“; morgen 20 Uhr: „Danzón“, anschließend Salsa-Party. Ab Freitag Kurzfilmprogramm, Termine morgen in der cinemataz.
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