: Der homosexuelle Mann ... Von Elmar Kraushaar
... möchte gerne jeden anderen Mann eingemeinden, dabeihaben im kommoden Abseits, integrieren ins Netzwerk der anderen Gefühle. Mit dem Ex-Innenminister Eggert wurden unlängst wieder einmal die Aufnahmeriten durchexerziert. Er möge doch „ein klärendes Wort zu seiner sexuellen Identität“ finden, bat die Schwulenzeitung First. Und das „offene Wort zu seiner sexuellen Orientierung“ vermißte der Schwulenverband in Deutschland (SVD), denn damit hätte Eggert „Schaden von Lesben und Schwulen“ abwenden können. Pardon? Der Mann ist heterosexuell, verheiratet und hat vier Kinder. Von welcher „Identität“ und „Orientierung“ sollte er sprechen? Warum sollte er sich plazieren, wo er nicht hingehört?
Mag sein, daß Eggert dem einen oder anderen Mann zu tief in die Augen oder zu direkt auf den Schritt gestarrt hat. Aber macht jeder feuchte Traum eines Mannes von einem anderen Mann aus ihm gleich einen schwulen Mann? Schwulsein als etwas, das hin und wieder aufbricht wie ein Exzem?
Einen Schritt weiter im Kampf um neue Mitglieder ging der Chef der österreichischen Schwulengruppe „Opus Lei“, Kurt Krickler. Der nutzte das Sommerloch und nannte der versammelten Presse vier Namen von katholischen Würdenträgern, die „homosexuelle Neigungen“ hätten. Diese „Neigungen“ – für die es Beweise gäbe, die Krickler aber nicht nennen wollte – machten es „aber nicht zwingend, daß auch homosexuelle Handlungen begangen worden sind“. Wie bitte? Schwulsein als Tatbestand ohne Tat?
So sehr jede schwule Outing- Aktion zu begrüßen ist, so wenig ergiebig ist derlei Phantasterei. Man muß doch nicht jeden gleich auf die schwulen Bretter zerren, nur weil er für Michelangelo schwärmt, den kleinen Finger abspreizt beim Teetrinken oder ein Versager ist im Schlagballweitwurf. Selbst der doppelte Kolliergriff garantiert für gar nichts. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach Vermehrung darf doch bitte schön nicht vergessen werden, was dereinst ein Leserbriefschreiber im Spiegel auf die Frage „Schwul geboren?“ formulierte: „Ich sage nein. Damit ist man nicht auf die Welt gekommen, das hat man sich hart erarbeitet.“
Weder Herr Eggert noch die vier Bischöfe aus Österreich haben aber auch nur einen Finger gekrümmt für diesen Job. Im Gegenteil – ihr ganzes Wirken ging offensichtlich in die andere Richtung. Und nur das gilt festzuhalten.
Bei all dem Mißbrauch der Begriffe bleibt letztlich die Forderung nach einer Aufnahmeprüfung. Ja, eine Prüfung zur Aufnahme in den Kreis derer, die mit Fug und Recht behaupten können, schwul zu sein. Und der Eingangstest ist nicht von Pappe: Mindestens einen Titel von Marianne Rosenberg auswendig hersagen; sieben Cruising-Plätze des Nachts ohne Stolpern durchqueren; alle Buchtitel von Klaus Mann kennen, mit Erscheinungsort und -jahr; in der Konditorei ein Blätterteigteilchen verlangen, ohne rot zu werden dabei; beim Geburtstag der Erbtante die Konversation zwanglos, aber gezielt über Fistfucking, Darkroom und Blow Job auf die 23 gebräuchlichsten Bezeichnungen für das männliche Geschlechtsteil steuern. Wenn das geschafft ist, kann mit dem Aufbaustudium begonnen werden. Sonst könnte ja jeder kommen!
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