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Unternehmen schwarzer Abt

■ Archäologische Grabungen bringen Stadtschloß-Fundamente zum Vorschein / Heizungskeller Wilhelms II. zu sehen / Freiluftausstellung bleibt bis zur Bebauung

Das Loch in der Mitte ist eine ganz besondere Grube. Kein Aushub für Bürokästen. Im Gegenteil. In der Grube befinden sich bröckelnde Fundamente, Mauern und Wandverkleidungen. Im Loch in der Mitte – auf dem früheren Autoparkplatz vor dem Palast der Republik – liegen die letzten Reste des Berliner Stadtschlosses: „archäologische Spuren und Ausgrabungen unserer Kulturgeschichte“, wie ein Experte weiß, „lange verborgene Bodendenkmäler“ sollen es sein.

In der Tat. Aus dem Grabungsfeld recken sich die gelben Mauersteine von den Tongruben aus dem nahen brandenburgischen Umland, mit dessen Material zur Jahrhundertwende die Bauten der Stadt errichtet wurden. „Zu sehen ist eine Verbindungsmauer von 1901“, sagt der Denkmalpfleger Uwe Vogt, „eine Spur aus der letzten Bauepoche des Schlosses.“ Spannender erscheinen da die dicken Fundamente von der Nordwestseite des Gebäudes, Kellerräume und Reste des Münzturms, die ein wenig wie Rudimente des Forum Romanum daliegen. Mosaike und Säulen sucht man allerdings vergeblich. Der Hauch großer Geschichte fehlt. Statt dessen erscheint moderne Technik: Teile des alten Heizungskellers, Lüftungsanlagen, Filterräume und Ventilatoren bringen sich rostig ins Spiel. So haben sich die Fürsten ihren fetten Wanst gewärmt? Ein Ruinenfeld, das die Zeiten des barocken Stadtschlosses, des Großen Kurfürsten und des alten Kaisers Wilhelm assoziiert, ist das nicht, eher ein Haufen alter Steine, die merkwürdig fremd bleiben.

Doch man will tiefer bohren. Auf dem „größten Grabungsfeld Berlins“, wie Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer sagt, hofft man, noch auf „ältere Geschichte“ zu stoßen. Die 300.000 Mark Grabungsgeld, die den Bodendenkmalschützern für ihre archäologische Spurensuche reichen müssen, sollen für die Freilegung der „Vorschloßzeit“ eingesetzt werden. Diese wähnt man unter dem alten Schloßhof verborgen.

Eine wahrer Schatz der Stadtgeschichte könnte da zum Vorschein kommen, soll doch dort das alte Stadthaus des schwarzen Abtes von Lehnin vergraben liegen, der sein Grundstück in der Stadtmitte im späten Mittelalter an die hiesigen Fürsten abtreten mußte. Wenn das gefunden werden sollte – alte Kirchenbilder, Goldbarren, Skelette, dazwischen Granaten –, ja dann...

Klar ist, daß die alten Reste die zukünftige Bebauung der Berliner Mitte nicht aufhalten werden. Die Grabungen indessen sollen gesichert, dokumentiert und, wenn möglich, Teile davon ausgestellt werden, so Hassemer, der die Bodendenkmalschützer und Investoren an einen Tisch bringen möchte, damit Mauern nicht auf Nimmerwiedersehen verbaut werden.

Bei der Archäologie in der Berliner Mitte stellt sich dieses Problem nicht. Bis über die künftige Nutzung des Schloßplatzes entschieden ist, „haben wir längst alles ausgegraben“, so der Stadtentwicklungssenator. Und bis dahin sollen die Mauerreste auch sichtbar und zugänglich bleiben. Schon im kommenden September will die Senatsverwaltung ein Besucherpodest vor Ort aufstellen lassen, von dem aus, wie bei den Gruben in der Friedrichstraße, in die Tiefe gelinst werden kann. Oh Geschichte, steig herauf! Rolf Lautenschläger

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