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Durchs DröhnlandDoppelter Elvis

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Eine verwegene Karriere haben die Blaggers I.T.A. hinter sich. Den Weg von Oi! über Ska zu avanciertem Post-Punk, der aufsaugt, was die moderne Popmusik so bietet, ist das britische Sextett nicht ohne Widerstände gegangen. Antifaschist wurde Sänger Matty Blag, als er hinter schwedischen Gardinen „1984“ las. Seitdem hängen die Blaggers zwischen allen Stühlen und werden angegangen von den Linken wegen ihrer Vergangenheit und von Teilen der alten Fans, weil diese eben inzwischen Vergangenheit ist. Die neue Zeit markiert nicht nur der Namenszusatz I.T.A., sondern auch eine souveräne Mixtur aus Dancefloor, HipHop, Rave und schmeichelnden Funkgitarren. Trotzdem bekennen die Blaggers I.T.A. sich zumindest musikalisch zu ihren alten Tagen, denn auf die bollerndem Punkgitarren wollen sie nicht verzichten, und diese fügen sich überraschend harmonisch auf dem revolutionären Tanzboden ein. Chumbawamba lassen grüßen.

Morgen 20 Uhr, Trash, Oranienstraße 40–41, Kreuzberg

Wie die Sache mit dem Punkrock angefangen hat, läßt sich am besten bei ADZ nachverfolgen. Unter diesem Kürzel haben sich Sänger Tony Montana und Bassist Mike Rouse zusammengetan, die schon bei der ultralegendären L.A.-Punkband Adolescents dabei waren. 15 Jahre später spielen sie immer noch ihren zwar halbwegs schnell, aber irgendwie sehr schwerfällig daherstampfenden Rock 'n' Roll, der damals aus jeder zweiten Garage gedröhnt haben muß und seine Ähnlichkeit mit Hardrock längst nicht mehr verleugnen kann.

Ziemlich deckungsgleich hören sich Sister Goddamn an, was kein Wunder ist, denn auch bei denen singt Montana. Die Band entstand, als Gitarristin Amy Wichman, die durch den Umzug ihres Arbeitgebers Jeff Dahl von L.A. nach Phoenix beschäftigungslos geworden war, die Idee hatte, die Geschlechterverhältnisse mal umzukehren. Sie wollte eine All-Girls-Band mit einem männlichen Sänger aufmachen. Nach diversen Wirren und Positionswechseln zwischen den beiden Kapellen ist zwar Wichman nicht mehr dabei, und auf dem Schlagzeugschemel sitzt auch ein Mann, aber sonst stimmt das Ausgangskonzept. Was wieder nichts beweist, außer daß natürlich auch Frauen einen böse brodelnden Rock machen können.

Morgen 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln

Vielleicht ist Lousiana Red der letzte lebende Vertreter des ländlichen Blues, der noch die ebenso gruselige wie faszinierende Sozialisation durchlebt hat, die in diesem authentizitätsfixierten Genre einen Bluesmusiker erst zum rechten Bluesman macht. Reds Mutter starb eine Woche nach seiner Geburt in Alabama, sein Vater wurde vom Ku-Klux-Klan ermordet, als er neun war. Er lebte bei seiner Großmutter und in Waisenhäusern, traf Muddy Waters und zog als Straßenmusiker umher. Er war zu Zwangsarbeit verurteilt, landete als Fallschirmjäger in Korea und wurde später Black Muslim. Und er hat mit allen gespielt, ob nun John Lee Hooker, B.B. King und natürlich Waters. Wie alle Großen hat Louisana Red auch heute noch damit Probleme, seiner Gitarre immer die Töne zu entlocken, die an kein geschultes Ohr anecken, aber genau das hebt diese Generation eben auch ab von all den gelackten Besserwissern, die selbst die Blue notes nach Notenblatt spielen.

So. 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

An Memphis scheiden sich die Geister, zumindest musikalisch. Für die einen ist es die Stadt von Elvis, DEM Elvis. Für die anderen ist es die Stadt von Alex Chilton und Tav Falco, und an die geht diese Botschaft. Lorette Velvette hat mit den beiden Halbgöttern des Memphis-Undergrounds ihr Hühnchen gerupft. In Falcos Band Panther Burns sang sie jahrelang Background und schwang das Tamburin.

Chilton produzierte ihre erste eigene Platte und verpaßte ihr genau die südlich schwitzende Atmosphäre, die er gerne zusammenmischt. Ihre letzte CD wirkt zwar etwas weichgespülter, aber immer noch lockt der Charme ihrer brüchigen Stimme. Und fast ebenso souverän wie ihre Mentoren schlägt Velvette die Geschichte des Rock 'n' Roll im Lexikon nach und fügt ihren eigenen Eintrag hinzu.

Mit Cuban Rebel Girls und Baby You Know, Di. 20 Uhr, Insel, Alt-Treptow 7, Treptow

Was man aus Reggae alles machen kann, wenn man sich Mühe gibt, zeigen nun schon seit vier Jahren Zion Train. Die Briten begannen als reine Dub- Band, aber entdeckten schnell dieses elektronische Spielzeug, mit dem man so klasse rumpluckern kann. Auf ihrer ersten Vollzeit-Platte „Homegrown Fantasy“ finden sich neben den klassischen gemütlichen Dubs flotte House-Tracks, die trotzdem noch Reggae sind. Und mit dem Frühlings-Hit „Get Ready“ außerdem eine Ballade, die fast von Bob Marley stammen könnte. Das Ding ist schlicht die beste Reggae-Platte seit Jahren, verbindet schamlos Dub-Gewummer mit hysterischen Danceattacken, für die andere sich schämen würden.

Dienstag 21 Uhr, Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Immer noch einer der besten Menschen überhaupt ist Jeb Nichols. Allein schon deshalb, weil er der Welt die unsterblich untertreibende Zeile „I would not mind a few good times in my life“ geschenkt hat und außerdem mit einem perfekt in einen perfekten Sommer passenden Folk unterlegt hat, der erfolgreich beim Reggae klaut. Die letzte Platte der Fellow Travellers, ausschließlich mit Dub- Versionen der eigenen Songs, war zwar eher enttäuschend, aber schließlich ist jetzt ja wieder Sommer.

Mittwoch, 20.30 Uhr, Insel Treptow Thomas Winkler

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