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Friede den Hütten – und den Palästen

■ Das Verfassungsgericht erlaubt höhere Steuern auf Immobilien. Einheitsfront von SPD bis CSU: Das Eigenheim wird nicht angetastet. Finanzminister Theo Waigel beruhigt die Hausbesitzer: Steuerhöhungen soll es nicht geben

Berlin (taz) – Die ErbInnen können aufatmen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gestern die Besteuerung von Grundstücken als unangemessen niedrig angesehen und deshalb für verfassungswidrig erklärt. Dennoch dürften sich die Folgen in Grenzen halten. Denn das BVerfG hat zahlreiche Bevölkerungsgruppen besonders vor den anstehenden Steuererhöhungen geschützt. „Kleine Vermögen“ müssen im Erbfall steuerfrei bleiben, die besondere Situation von Familien ist zu berücksichtigen, und die Vererbung von mittelständischen Betrieben darf nicht durch die Erbschaftssteuer behindert werden. Auch große Vermögen dürfen im Erbfall „nicht übermäßig“ besteuert werden.

Auch die etablierten Parteien haben sofort klargestellt, daß das Urteil nicht zur Erhöhung der Staatseinnahmen ausgenutzt werden soll. Vor ein bis zwei Jahren hatte es bei der SPD noch anders getönt. Da jedoch nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als 40 Prozent der BundesbürgerInnen Grundbesitz innehaben, wurde die SPD immer kleinlauter. Inzwischen hat sie sich Finanzminister Theo Waigel angenähert, der versprochen hatte, daß es nicht zu Steuererhöhungen kommen werde – egal wie das Urteil ausgehe. Der SPD-Bauexperte Otto Reschke versicherte sofort, daß die SPD ein „Explodieren“ der Einheitswerte, die der Besteuerung von Grundstücken zugrunde liegen, verhindern wolle. SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier will für selbstgenutzten Wohnraum sogar jegliche steuerliche Mehrbelastung verhindern. Im übrigen bedeute das Urteil eine „herbe Schlappe“ für Bundeskanzler Kohl und seine wechselnden Finanzminister.

CDU-Generalsekretär Peter Hintze fand das Urteil immerhin „rechtlich nachvollziehbar“ und erklärte seine „Dankbarkeit“, daß das BVerfG die Bedürfnisse der Familien berücksichtigt habe.

Die Bündnisgrünen forderten eine grundlegende „Bodensteuer- und Bodenrechtsreform“. Die Besteuerung müsse sich dabei an den Marktwerten der Grundstücke orientieren. Nach einer Untersuchung des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 1991 machen die derzeitigen steuerlichen Einheitswerte nur zehn bis zwanzig Prozent des tatsächlichen Marktwerts der Grundstücke aus. Das BVerfG hatte dem Gesetzgeber überlassen, wie stark er die Besteuerung von Grundstücken erhöhen will. Christian Rath Tagesthema Seite 3

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