piwik no script img

Elf Minuten und zehn Sekunden

Es geht um die kurze, die kleine, die konzentrierte Form. Mit „Screenplay“ von Barry Purves startet das fsk am Oranienplatz heute abend seine monatliche Trickfilmschau „a for animation“  ■ Von Wiglaf Droste

Endlich mal zwei, die die Welt nicht kosmetisch, sondern von Grund auf erneuern wollen: „Weg mit dem Dogma der epischen Breite!“ rufen Thomas Basgier und Carola Rönneburg und singen das Hohe Lied des Kurzfilms, oder präziser: des kurzen Animationsfilms.

Die Argumentation ist einleuchtend: Warum soll man sich von Regisseuren, die eine halbe Pointe auf zwei Stunden strecken, anöden lassen, wenn es Filme gibt, die die Sinne zwei oder fünf oder elf Minuten lang konzentriert stimulieren? Wozu die lange Reue auf sich nehmen, wenn es kurze Exzesse und Ekstasen gibt? Oder, aufs Feld der Literatur übertragen: Niemals hätte ich mich durch 781 Seiten weites Feld von Grass gequält, hätte ich schon vorher die Rattelschneck-Zeichnung „Günter Grass liest heute im Literaturcafé und will dabei nicht gestört werden“ gekannt.

Und exakt darum, die kurze, kleine, konzentrierte Form überhaupt kennen zu können, geht es. „Der Animationsfilm“, sagt Thomas Basgier, „hat nur deshalb kein Publikum, weil das Publikum ihn bisher nicht kennt.“ In Deutschland werde Trickfilm noch immer weitgehend mit Kinderfilm gleichgesetzt; automatisch denke man an Disney oder an lieblos zusammengeklatschte „Asterix“-Filme.

Ausgefuchste Animationsszenen wie in „Jurassic Park“ oder „Terminator 2“ würden zwar bestaunt, aber das Genre Animationsfilm mit seiner großen Bandbreite sei kaum bekannt. Einzig „Wallace and Grommit“ schaffte es im letzten Jahr, von einem größeren Publikum überhaupt wahrgenommen und dann goutiert zu werden.

„a for animation“ bringt jetzt die Schätze unter Leute, die die Organisatoren der monatlichen Filmschau in den letzten Jahren entdeckt und gesammelt haben: Thomas Basgier gehörte von 1987 bis 1992 zum harten Kern des Stuttgarter Trickfilmfestivals, und Carola Rönneburg ist seit Jahren in Sachen Animation unterwegs, auf Messen und Festivals, mit Artikeln in der Woche, ihrer Kolumne „Trickkiste“ im tip oder als Jurorin beim Festival in Clermont-Ferrand.

Gemeinsam mit dem fsk-Kino präsentieren sie ab sofort einmal im Monat den kurzen Thrill: Der Animationsfilm des Monates, egal wie kurz er ist, wird nicht als Vorfilm gezeigt, sondern in einer eigenen Vorstellung zwischen Abend- und Spätprogramm – man muß Respekt und Referenz erweisen.

Das ambitionierte Spiel beginnt heute abend mit „Screenplay“ von Barry Purves, einem ans Kabuki- Theater angelehnten, heftigen und keineswegs unblutigen Liebesdrama. Nichts mit Kinderfilm also, sondern ideale Abendunterhaltung für Erwachsene.

11 Minuten und 10 Sekunden dicht ist der Film, in dem die ganze Welt steckt, und der es an Detailfülle und Perfektion mit jedem Langfilm im Wortsinn spielend aufnehmen kann.

„Screenplay“, Regie: Barry Purves, heute, um 21.15 Uhr, fsk am Oranienplatz, Segitzdamm 2, Kreuzberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen