■ Templins Rücktritt: Neue Optionen
Überrascht hat er nicht, der Rücktritt des ehemaligen Bürgerrechtlers Wolfgang Templin vom Vorsitz der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“. Seine Forderung an den Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, der rechtslastigen Bibliothek den Geldhahn abzudrehen, zeigte schon vor einem Monat, daß auch er nicht mehr daran glaubte, die Bibliotheksleiterin Popiolek und ihren Klüngel in einen – wie er es wohl wollte – seriösen und reputierlichen Diskurs um die DDR-Aufarbeitung und die Suche nach einer neuen politischen Identität der Bürgerrechtler einzubinden.
Um was es Templin in der Sache geht, hat er in seinen Beiträgen für die Rechtspostille Junge Freiheit ja schon mehrfach angedeutet: die Suche nach einem sinnstiftenden Etwas namens nationale Identität, selbstredend demokratisch geläutert – und der Versuch, eine mit dem Antikommunismus begründete Diffamierung verbliebener linker Vorstellungen und Utopien quer zu den politischen Strömungen konsensfähig zu machen. Diese Rechnung freilich konnte in der Gedenkbibliothek nicht aufgehen. Mehr noch: Ein Verbleiben Templins bei diesem obskuren Haufen hätte seinem Anliegen – und mit ihm dem der anderen Opferverbände – sogar geschadet. Daß der Abschied Templins vom Hausvogteiplatz für ihn keine Niederlage um der Sache willen bedeutet, hat er freilich erst in der vergangenen Woche beim Überraschungsmeeting mit dem Bundeskanzler gezeigt. Die Suche nach einer politischen Heimat jener Bürgerrechtler, die seit der Wende am freien Fall in die Bedeutungslosigkeit laborieren, führt sowohl Templin als auch Bärbel Bohley, Witwe Havemann und Konrad Weiß in die wertkonservative Stube von Helmuth Kohl oder Wolfgang Schäuble. Uwe Rada
Siehe auch Beitrag auf Seite 22
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