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Zahnseide für die Welt

■ Konsumentenliteratur, diesmal bierernst und postreligiös: Douglas Couplands neuer Band mit „Geschichten der Generation X“

Trotz kalkulierter Hipness, trotz der thematisch bedingten Langweiligkeit seiner Protagonisten: Douglas Couplands Debüt „Generation X“ sprach den Angehörigen der Post-Yuppie-Jugend aus dem Munde. Es stimulierte, machte Mut und wirkte hochgradig identifikatorisch. Die Geschichte las man quer, interessant waren die Randspalten mit ihrem 90er-Jahre-Glossar. Dort fand man all das säuberlich aufgelistet und mit Beispielsätzen erklärt, was man bisher für einen persönlichen Spleen gehalten und auch so ausgelebt hatte: „Nutritional slumming“, „Celebrity Schadenfreude“ oder „Safety-netism“. Die eigenen, insgeheim für Unfug gehaltenen Aktivitäten – plötzlich waren sie zu Posten im Verhaltens- und Denkkatalog einer echten Jugendkultur geadelt. Darüber war man nicht enttäuscht, sondern hochzufrieden: Ich bin nicht allein mit meinen Idiosynkrasien, ich gehöre zur Generation X. Gern stürzte man sich mit ihm in seine wohligen Untergangsphantasien. Das half. Schon Couplands zweiter Roman „Shampoo Planet“ fiel deutlich ab. Brav referierte da einer, der in Wahrheit prima funktionierte, seine Neurosen, penetrant ritt er auf der Gestörtheit der Welt und der seiner Familie herum. Auch die Fanzine-inspirierte Aufmachung wurde schwer vermißt. Mit nichts als Kreditkarten in der Tasche und Markenkleidung am Designer-Leib war Coupland losgezogen: ein Romantiker, überall und nirgends zu Hause in der großen, kleinen, schnellen Welt. Jetzt, in seinem neuen Buch „Life After God“, kommt er im Vorgarten an. In den anmaßend untertitelten „Geschichten der Generation X“ plaudert Coupland von Zwischenfällen im Supermarkt, davon, wie er einmal im Zelt übernachtete, und von seinen ersten Depressionen. Und sinniert vor sich hin: Tracy aus der High School, was die heute wohl macht? Tja, die Welt ist seltsam!

Der Coupland von heute will nicht mehr cool sein, sondern aufrichtig. Geheuchelte Naivität, ein synthetischer Kinderblick sollen für Authentizität sorgen. Und den Weg weisen zurück zur verlorenen Unschuld. Vom schönen Zynismus der frühen Tage will er nichts mehr wissen. Er liebt heute die kleinen Dinge und versucht ganz vorsichtig, die großen zu verstehen: „Die vergangene Woche hat mich veranlaßt, mir Gedanken über das Leben zu machen.“ – Bei dem nietzscheanisch-hochtrabenden Titel dürfen Ausflüge in die Philosophie nicht fehlen: „Ich glaube, Tod bedeutet nicht einfach sterben. Ich glaube, Tod ist ein Verlust, der niemals wettgemacht werden kann.“

Hinter Couplands erzählerischem Ansatz steckt aber nicht etwa (produktives) Mißtrauen in eine eventuell korrumpierte Sprache, sondern schlichte Verweigerung. Er hat nicht nur nichts zu sagen, er will nichts sagen. Die Welt interessiert ihn nicht. Selbst 30 Seiten Atomblitz-Phantasien verbucht er auf der Habenseite seiner ganz privaten Subjektivität; mit Politik hat das nichts zu tun. Flach und banal wie ein Motel-Parkplatz sind diese Stückchen, bierernst und sentimental. Aufgepeppt hat er sein Werk mit 169 schüchternen Tuschezeichnungen: ein Döschen Zahnseide, ein Luftballon, eine kleine Landschaft mit Segelboot – Idyllen aus dem Konsumentenalltag. Doch selbst für Coupland kann das nicht alles gewesen sein: „Manchmal möchte ich mich schlafen legen und mit der dunstigen Welt der Träume verschmelzen.“ Jörg Häntzschel

Douglas Coupland: „Life after God. Die Geschichten der Generation X“. Aufbau Verlag, 357 Seiten, geb., 39,90 DM.

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