piwik no script img

Regierungsumbildung in Ruanda

Das Parlament hat den Ministerpräsidenten und vier Minister entlassen. Damit sind im Kabinett keine prominenten Hutu mehr vertreten. Die Armee gewinnt an Einfluß  ■ Von Pierre Van Hoeylandt

Berlin (taz) – Eine größere Kabinettsumbildung hat in dieser Woche die Machtverhältnisse in Ruanda zugunsten des Militärs verschoben. Vor einem Jahr noch belächelte Ministerpräsident Twagiramungu seinen Konkurrenten, Verteidigungsminister Paul Kagame, als einen „jungen Mann“, der für die Patriotische Front Ruandas (RPF) den Bürgerkrieg gewonnen habe, aber „kein Politiker“ sei. Am Montag nahm der Regierungschef seinen Hut.

Nach der Ablösung Twagiramungus wurden am Dienstag vier weitere Minister entlassen: Innenminister Sendashonga, Justizminister Nkubito, Informationsminister Nkuliyingoma, und Kommunikationsminister Kayumba. Bis auf Kayumba gehören alle entlassenen Minister dem Mehrheitsvolk der Hutu an. In einer ersten Stellungnahme beurteilte der zairische Premierminister Kengo Wa- Dondo die Regierungsumbildung als eine Schwächung der „gemäßigten“ Kräfte.

Die entlassenen Minister waren verantwortlich für die beiden Schlüsselprobleme, mit denen das ostafrikanische Land derzeit zu Kämpfen hat: die Rückführung von zwei Millionen Flüchtlingen in Zaire, Burundi und Tansania sowie die Verurteilung der Verantwortlichen des Völkermordes, bei dem im letzten Jahr zwischen 500.000 und eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu getötet worden waren. Doch ohne ausreichende finanzielle Mittel und gegen den Widerstand der Armee konnten sie wenig zur Lösung der Probleme Ruandas beitragen.

Ein Sprecher der Regierungspartei RPF in Brüssel sagte der taz am Dienstag, die Minister seien entlassen worden, weil sie die Politik der Regierung blockiert hätten. Die in London ansässige Menschenrechtsorganisation African Rights beschuldigte besonders Innenminister Sendashonga, er habe sich als Hutu einseitig für die zurückkehrenden Hutu-FLüchtlinge aus Zaire eingesetzt und die Belange der Tutsi-Opfer des Genozids im letzten Jahr vernachlässigt.

In ihren Rücktrittserklärungen kritisierten dagegen der entlassene Premier und sein Innenminister die Übergriffe und den wachsenden Einfluß der von Tutsi dominierten Armee. Außerdem gaben sie an, sich persönlich bedroht zu fühlen. Mehrere Mitarbeiter Twagiramungus, darunter sein Kabinettschef, waren in den letzten Wochen entlassen worden und haben inzwischen das Land verlassen. In einem Interview mit der BBC bestritt ein Sprecher des ruandischen Präsidenten Bizimungu, der Absetzung der Minister lägen ethnische oder politische Motive zugrunde.

Die Entlassung von vier prominenten Hutu, die als Vertreter der gemäßigten Fraktion eingeschätzt werden, wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach die Armee unter Verteidigunsminister Paul Kagame stärken. Der letzte prominente Hutu-Politiker, Präsident Bizimungu, wird von Beobachtern als politisch einflußlos und von Kagame abhängig eingeschätzt. Darüber hinaus hatte der jetzt entlassene Twagiramungu in der Vergangenheit offen kritisiert, daß sich die ruandische Armee General Kagame unterstellt fühle, nicht der Regierung. Mit der Ausschaltung seiner prominentesten Kritiker in der Regierung kontrolliert Kagame nun außer der Armee auch noch die politische Führung. Wenn künftig in Ruanda wie jetzt schon in Burundi eine Tutsi-Armee das Land kontrolliert, wird es noch schwieriger werden, die 1,2 Millionen ruandischen Flüchtlinge in Zaire zu einer freiwilligen Rückkehr nach Ruanda zu bewegen. Als Hutu, von denen viele am Völkermord im letzten Jahr beteiligt waren, fürchten sie die Rache der neuen Machthaber in Kigali.

Trotz Verhandlungen mit der UNO verlangte Zaire am Dienstag, daß die Flüchtlinge bis Ende des Jahres nach Ruanda zurückkehren müssen. Sonst werde es die Flüchtlinge deportieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen