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Die eigene Hütte ist en vogue

In und um Berlin bauen immer mehr Menschen ihre eigenen vier Wände, besonders im Osten. Förderprogramme sind von Kürzungen bedroht  ■ Von Hella Kloss

Wie die Pilze schießen sie innerhalb des Berliner Autobahnrings aus dem Boden: Musterhaussiedlungen im Grünen. Am liebsten lassen sich die künftigen Eigenheimbesitzer am Stadtrand oder im nahegelegenen Umland nieder. Seitdem Berlin keine Insel mehr ist, zieht es viele entnervte Hauptstädter an die Peripherie. „An Wochenenden haben wir bis zu 1.000 Besucher aus Berlin und dem Umland“, erzählt Wolfgang Kroll, zuständig für die Betreuung der Ausstellung „Haus im Grünen“. Auf dem Gelände in Königs Wusterhausen präsentieren 22 Anbieter ihre Fertighausvariationen.

Vor allem in den neuen Bundesländern interessieren sich immer mehr Menschen für Fertighäuser. Das zeigt schon die große Zahl von Musterhaussiedlungen. Mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent spielt dieser Bautyp hier eine sehr viel größere Rolle als in den alten Bundesländern. Dort liegt der Anteil bei zirka zehn Prozent. „Allein im vergangenen Jahr wurden in Ostdeutschland 4.941 Ein-und Zweifamilienhäuser von Fertigbaufirmen gebaut“, sagt Michaela Erpe vom Bundesverband Deutscher Fertigbau. „In Westdeutschland waren es dagegen nur 6.110.“

Michael Niffka vom Zentralverband des deutschen Baugewerbes sieht das anders: Es sei übereilt, von den Zahlen automatisch auf einen Trend zum Fertighaus zu schließen: „Denn noch hängt der Wohnungsbau hinter anderen Branchen hinterher. Doch die Baustruktur wird sich allmählich der westdeutschen Situation angleichen.“ Die große Beliebtheit von Fertighäusern erklärt der Leiter der Hauptabteilung Wirtschaft mit den Erfahrungen, die viele Baufachleute noch zu DDR-Zeiten mit Fertigbauteilen gesammelt haben. „Diese werden möglicherweise auf das heutige Bauen übertragen.“

Ob das Haus nun Stein auf Stein oder mit vorgefertigten Teilen gebaut wird – die Anzahl der Eigenheime nimmt in Brandenburg wie auch in Ostberlin eindeutig zu. „1992 wurden in Brandenburg nur 521 Ein- und Zweifamilienhäuser fertiggestellt. Im Jahr darauf dagegen waren es allein 2.314 Einfamilienhäuser“, erläutert Erika Krauskopf vom Statistischen Landesamt in Brandenburg. „Schon 1994 wurden sogar mehr als doppelt so viele gebaut.“ Von ähnlich imposanten Steigerungen spricht Irmtraud Tischer vom Berliner Landesamt: „Während es 1992 in Ostberlin nur 128 neu gebaute Einfamilienhäuser gab, wurden in vergangenem Jahr schon 1.007 Häuser fertiggebaut.“

Verantwortlich für diese Steigerung ist zum einen wohl der Nachholbedarf im Ostteil. Zum anderen ziehen aber auch viele Westberliner in den Ostteil, um die günstigeren Grundstückspreise für den Bau eines eigenen Hauses zu nutzen. „Innerhalb von Berlin besteht in den unterschiedlichen Bezirken ein Gefälle von bis zu 300 Mark pro Quadratmeter“, erläutert Gunter Spang von der Investitionsbank Berlin (IBB). Kaum verwunderlich, daß nur noch wenige in einem der westlichen Stadtteile bauen: 1990 entstanden im Westen immerhin 813 Häuser, doch 1994 waren es nur noch magere 357.

Wegen der horrenden Preissteigerung auf dem Grundstücksmarkt haben in Berlin viele Bürger ihren Traum vom Eigenheim begraben müssen. Die Politik setzt deshalb auf Förderprogramme, um den Kauf oder Bau von Eigenheimen zu ermöglichen. In Berlin werden Häuslebauer mit zinsverbilligten Baudarlehen von bis zu 4.500 Mark je Quadratmeter Wohnfläche unterstützt. Die maximal geförderte Wohnfläche beträgt bei einem Ehepaar 60 Quadratmeter, bei einem Haushalt mit drei Personen 80 Quadratmeter und erhöht sich bei jeder weiteren Person um zehn Quadratmeter.

„Einem Ehepaar mit drei Kindern steht eine Wohnfläche von 100 Quadratmetern zu“, erläutert Gunter Spang von der IBB, „sie kann somit ein Baudarlehen von maximal 450.000 Mark bekommen.“ Die Zinsen für dieses Darlehen sind feingliedrig nach dem anrechenbaren Familieneinkommen der Antragsteller gestaffelt und reichen von einem bis zu sechs Prozent. Wer mehr als 150 Prozent über der gesetzlichen Einkommensgrenze liegt, fällt allerdings aus der Förderung raus. Nach dieser Berechnung darf das Familieneinkommen in einem Haushalt mit fünf Personen nicht über 143.500 Mark liegen, ein Alleinstehender darf nur über 57.500 Mark jährlich verfügen. Weitere Bedingung für ein Darlehen ist ein Eigenkapitalanteil von zehn Prozent.

„Mit dieser Regelung haben wir so unsere Probleme“, räumt Referatsleiter Spang ein. „Auf der einen Seite soll die Förderung möglichst breiten Schichten der Bevölkerung zugute kommen. Aber die haben in der Regel keine 150.000 Mark gespart. Auf der anderen Seite rechnet man in einer soliden Finanzierung mit 25 bis 30 Prozent Eigenkapital.“ Den Antragstellern muß für die Lebenshaltung noch ein ausreichender Restbetrag verbleiben. Der richtet sich nach der Zahl der Familienmitglieder.

Auch die IBB bestätigt den Bautrend im Ostteil der Stadt. „Rund 80 Prozent unserer Antragsteller wollen in Ostberlin bauen, nur 20 Prozent im Westteil“, sagt Spang, der Experte für Eigenheimförderung. Wer sein Häuschen allerdings vor den Toren Berlins errichten möchte, ist bei der IBB an der falschen Adresse. Er muß sich an die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) wenden. „Berliner bekommen dieselbe Förderung wie Brandenburger. Sie müssen auch dieselben Konditionen einhalten“, betont Annett Schmitt von der ILB. „Wichtig ist allein, wo gebaut wird.“

Nicht nur die Förderungsbedingungen weichen erheblich von dem Berliner Modell ab. Auch Darlehen werden in Brandenburg nach anderen Regeln gewährt. Gefördert werden Familien ab zwei Personen. Darunter muß sich mindestens ein minderjähriges Kind befinden. Das maximale Baudarlehen beträgt 2.200 Mark pro Quadratmeter förderungsfähiger Wohnfläche, wobei zwei Personen maximal 70 Quadratmeter, drei Personen 90 Quadratmeter und eine Familie mit drei Kindern 120 Quadratmeter beanspruchen darf.

Auf dem ersten Förderweg werden Darlehen die ersten zehn Jahre zinslos gewährt. Bei Überschreitung der gesetzlichen Einkommensgrenze wird die Höhe des Darlehens über 1.200 Mark bis zu 600 Mark pro Quadratmeter gekürzt. Bei einer Überschreitung der Grenzen um mehr als 60 Prozent wird überhaupt kein Baudarlehen mehr gewährt. Außerdem ist das zinslose Darlehen auf drei Jahre begrenzt. Danach wird das Einkommen erneut überprüft und gegebenenfalls der Zinssatz erhöht.

„Der Bedarf an Förderprogrammen ist sehr groß“, sagt Gunter Spang. Bis Ende des Jahres sollen insgesamt 2.500 Wohneinheiten von der IBB unterstützt werden. „Doch die Kassen sind leer, und es ist zu befürchten, daß nach der Wahl auch die Eigenheimprogramme zusammengestrichen werden.“ Für manchen Besucher der Musterhausschau wird der Traum von den eigenen vier Wänden zunächst einmal ein Traum bleiben.

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