■ Friedensuniversität & Wahrheit: Ich bin der Teufel
Kaum habe ich meinen Presseausweis hergezeigt, trifft mich ein Blick, wie er tödlicher nicht sein kann: Sie sind das also!
Mit zusammengekniffenen Lippen stellt die junge Frau meine Akkreditierung für die „Friedensuniversität“ aus. Das ist er, höre ich sie hinter mir herzischeln. Giftiges Getuschel und bitterböse Blicke, wo immer ich hinsehe. Das ist der, der diesen taz-Artikel geschrieben hat. Man zeigt mit dem Finger auf mich.
Was denn, die paar Zeilen auf der „Wahrheit“-Seite? Über die seltsame Koinzidenz, daß das Kärntner Esoterikzentrum, an dem ein Vorbereitungstreffen für die „Friedensuni“ stattfand, zugleich Kontaktadresse eines führenden östereichischen Neonazis ist? Über die undurchsichtigen Finanzmachenschaften von Uni-Geschäftsführer M. habe ich doch kein Wort verloren. Auch nicht über dessen esoterische Schlagseite als Horoskopvertreter. Das war alles der Spiegel. Ich habe lediglich gefragt, was denn ein Medizinnobelpreisträger in einer Fakultät mit Homöopathen und Bach- Blütentherapeuten verloren hat. Jutta Ditfurth neben Penn McLean.
Bevor man mich lyncht, kommt glücklicherweise Bewegung in den Saal, die ReferentInnen besteigen das Podium. Alle Augen richten sich auf den Dalai Lama, der in der Mitte Platz nimmt. Neben ihm, mit glühenden Ohren, Geschäftsführer Morawetz. Auf der anderen Seite, ebenfalls mit glühenden Ohren, Luise Rinser, die nach Carl Orff und Karl Rahner nun endlich ein neus Opfer gefunden hat, dem sie sich an die Brust schmeißen kann. Wie sie ihn wohl nennt? Mein liebes Lamilein vielleicht? Man wird es erfahren.
Keine Frage, daß mir Tentzin Gyatsu von hinten lieber ist als Karol Woytila von vorne. Aber muß ich deshalb vor Ehrfurcht Schluckauf bekommen, wenn „S. H. (Seine Heiligkeit) der 14. Dalai Lama“ nur den Mund aufmacht? Darf ich nicht mehr sagen, daß das ziemliches Dünnbier ist, was er da verzapft? Haß und Eifersucht seien die Wurzeln des Krieges, Erbarmen und Liebe hingegen die Quelle des Friedens. Ich werde darüber nachdenken.
Auch die anderen Prominenten auf dem Podium geben nicht gerade der Weisheit letzten Schluß von sich. Ein hemdsärmeliger Robert McNamara fordert, alle atomaren Sprengköpfe abzuschaffen. Die Nobelpreisträger Betty Williams und Oscar Arias Sanchez lächeln milde ins Publikum. Und Patti Smith trägt eine selbstgedichtete Ballade vor von „leopards and lambs lying together“. Frieden, Frieden, Frieden.
Ich fühle mich sicher, doch plötzlich zieht Professor Galtung, „Kurator“ der „Friedensuni“ mit mosaischer Allgewalt über die Medien her, die das hochehrenwerte Projekt seines lieben Freundes Morawetz mit Unflat beworfen haben. Vor allem der Spiegel und die taz. Ich ziehe den Kopf zwischen die Schultern und verkrieche mich hinter meiner Pressemappe vor den vernichtenden Blicken im Saal. Interessiert blättere ich hin und her. Kein Entkommen: Das Imperium schlägt zurück! Ein offener Brief an die taz, von keinem Geringeren als Professor Ervin Laszlo, in dem von „sensationslüsternen Behauptungen“, von „Hexenjagden“, von „Racheakten“ und „Vendetta“ die Rede ist, von der „vielleicht größten Diffamierung eines „wahrhaft herausragenden internationalen Forums“. Gemeint ist mein Artikel auf der „Wahrheit“-Seite.
Ich fühle mich elend. Wie konnte ich mich nur hinreißen lassen zu diesem Anschlag auf die hehren Ideale der „Friedensuniversität?“ Ja, zu einem Anschlag auf den Frieden selbst? Mea maxima culpa. Colin Goldner
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