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Was macht der Volksmusiker jenseits des Musikantenstadls?

■ Das Bremer Folk-Duo „Grenzgänger“ groovte sich bis zum MDR- Förderpreis

„An der Grenze eines Genres balancieren, die Grenze überschreiten.“ Michael Zachial, Folk-Sänger und Gitarrist, weiß, was er will. Der Name seiner Gruppe ist Konzept: Grenzgänger nennt sich das Bremer Duo, das von sich sagt, „unbeschränkte deutsche Volksmusik“ zu machen. Dafür haben die beiden gerade den Folk-Förderpreis vom Mitteldeutschen Rundfunk erhalten.

„Die Schiffe nach Amerika“ heißt das erste Album der Grenzgänger, ein Sammelsurium aus alten und neuen Texten und Liedern, die einen gemeinsamen Nenner haben: das Thema der deutschen Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Ein Konzeptalbum – für ein Folkdebüt ein ungewöhnlicher Zug. „Wir wollen auf keinen Fall nur vor den Leuten spielen, die sowas schon vor zwanzig Jahren gehört haben“, erklärt Michael Zachial. Genau dieses Bewußtsein, daß der deutschen Folkmusik eine Frischzellenkur mehr als gut tun würde, haben die Grenzgänger ver-innerlicht – der einzige Weg aus der Liedermacher-Sackgasse.

Also sind die Grenzgänger ein Versuch, die Szene-Grenzen zu sprengen. Mit dem MDR-Förderpreis im Rücken und weiteren Auszeichnungen wie dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik in Aussicht, läßt sich das natürlich gut angehen. Jedoch: keiner dieser Kritikerpreise, auch nicht die Nominierung für die Liederbestenliste des Südwestfunks, die die Grenzgänger in der Tasche haben, zahlen sich so richtig bar aus. Vorerst muß also weiter getingelt werden. Wichtig ist aber, daß die Suche nach neuen musikalischen Ausdrucksformen anerkannt wird. Denn in der Tat haben die Grenzgänger nicht nur das Album im heimischen Wohnzimmer mit dem DAT-Rekorder selbst aufgenommen und in Eigenregie verlegt, sondern auch musikalisch viel gewagt.

Und auch bei den Grenzgängern steht da Michael Zachial in Liedermachertradition mit seiner Gitarre und erzählt Geschichten. Drum herum aber wirbelt Jörg Fröse, der Multiinstrumentalist. Eine Mischung, die stimmt: Die Arrangements auf der preisgekrönten Platte sind gewagt – vom fröhlichen Banjo bis zum wimmernden Akkordeon geht fast alles. Jedes Stück hat seine eigene Klangfarbe, Vielfalt als Bandsound. „Wir wollten eine Platte machen, die groovt“, behauptet Michael Zachial frech.

Die Kunst, ohne Schlagzeug oder elektronische Verstärker zu grooven, beherrschen die beiden tatsächlich. Gewitztes Anschlagen, ab und an bestenfalls Händeklatschen – so kommt Dynamik in die Stücke. „Für reines Geklampfe haben wir wohl zu viel Rockmusik gehört“, lacht Zachial. „Oder, in Jörgs Fall, eben Jazz.“ Wo sonst live ein Mann auf einem Stuhl sitzt und klampft, wird live gefetzt. Das könnte auch jenseits der Kirchentage begeistern.

Inhaltlich präsentiert das Duo alte Traditionals in neuem Gewand: Hoffmann von Fallerslebens Verse erklingen zum verhaltenen Yankee-Doodle. Für „Die Schiffe nach Amerika“ haben die beiden in Archiven nach verschollenen Perlen gewühlt. Dann wurde komponiert. Und wo die Originalmelodien der alten Lieder noch auffindbar waren, wurden neue nur arrangiert.

Angetrieben aber hat Zachial und Fröse weniger der missionarische Eifer, sie wollen „die Volksmusik zurückerobern“. Der Graswurzelfolk solle Kommunikationsmittel werden, nicht einlullen, wie der reaktionäre, aber telegenere Gegenpol „Musikantenstadl“, der mit dem Straßen-Lebensgefühl der kleinen Leute nur wenig zu tun hat. Das Fazit von Michael Zachial: „Ich empfinde mich näher zu manchem HipHopper als zu dem Heileweltgesülze.“ Lars Reppesgaard

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