■ Normalzeit: Die Anti-Bendzko-Bürgerinitiative
Schon immer wollte ich mal das Corbusier-Haus in der Reichssportfeldstraße von innen sehen. Es wurde 1957 für 15 Millionen Mark erbaut. Als Stadtrundführer hatte ich Ende der sechziger Jahre dieses äußerst „gelungene Beispiel für sozialen Wohnungsbau“ stets auf meiner Tour gehabt: 530 Wohnungen hat das Gebäude nahe der Heerstraße, im Erdgeschoß gibt es drei Läden, eine Poststelle und einen Waschsalon. Im Zwischenstock präsentierten sich weitere Gemeinschaftseinrichtungen.
„Die hat es nie gegeben, und die Post wurde im April geschlossen“, erfahre ich jetzt von Otto Eigen, der seit über 25 Jahren dort im 8. Stock in einer Maisonette vom Feinsten wohnt. Für 124 Quadratmeter zahlt er 1.607 Mark warm, neue Mieter müssen bereits für 66 Quadratmeter soviel hinblättern. Das Haus wurde 1979 für knapp 30 Millionen Mark von Bendzko-Immobilien gekauft. Der 1961 aus dem Osten geflüchtete Ingenieur Bendzko hatte als CDU-Ku'damm-Makler erste Geschäftserfolge mit dem Kauf und Verkauf von Schrebergärten. Das Corbusier-Haus beabsichtigte er in Eigentums-Wohnungen umzuwandeln. Ein Geschäft, das der 1981 in die SPD eingetretene Otto Eigen für ebenso unsinnig wie sittenwidrig hält, „weil dadurch kein neuer Wohnraum entsteht, sondern nur sozialer Unfrieden geschürt wird: Erst gab es eine Förderung beim sozialen Wohnungsbau und dann bei der Umwandlung. Der Quadratmeterpreis liegt jetzt bei 6.000 Mark, das macht bei den 33.617 Quadratmetern rund 200 Millionen Mark.“ Eigen arbeitet in der seit 1975 gegründeten Mieterinitiative des Hauses mit, 1981 übernahm er deren Vorsitz und ließ sie als Verein eintragen. Die Frau des ersten MI-Vorsitzenden hatte bei ihrem Auszug orakelt: In diesem Haus wird einmal ein riesiger Sumpf entstehen! „Sie hat recht gehabt“, so Otto Eigen.
An der 1. Mieterversammlung 1979 nahmen 400 Mieter teil, kurz zuvor hatte auch Bendzko zu einer Umwandlungsversammlung geladen, später ließ er persönlichen Druck auf die Mieter folgen, damit sie auszogen oder ihre Wohnungen kauften. Ende 1979 hatten das bereits 40 Mieter getan. Lange Zeit standen bis zu 70 Wohnungen leer, noch heute sind nicht alle belegt. Später wurde der MI aus einem Bendzko-Büro ein Schreiben des Wohnungsbausenators Kurt Franke an das Landesamt für Wohnungswesen zugespielt, mit dem Bendzko ein längerer Leerstand genehmigt wurde.
Nach der Wende beabsichtigte Bendzko, voll im Olympiade- Rausch, direkt neben das 50 Meter hohe Corbusier-Haus einen 100 Meter hohen „Medientower“ zu stellen, den eine gläserne Brücke mit dem nahen Olympiastadion verbinden sollte. Zu diesem Vorhaben fand im Charlottenburger Bezirksamt eine Bauausschußsitzung statt, wo Otto Eigen dann direkt mit dem schwerbewacht in der Nähe des Rosenecks lebenden Bendzko konfrontiert wurde: „Wenn Sie für jede ihrer leerstehenden Wohnungen einen Monat ins Gefängnis müßten, würden sie da nie mehr lebend herauskommen“, meinte Eigen zu dem Ku'damm- Makler.
Die Mieterinitiative e.V. zerbrach 1984, nachdem sie eine Meldung über Mietberechnungen herausgegeben und Bendzko dagegen geklagt hatte. Das Kammergericht riet der MI schließlich, klein beizugeben, wegen der Haftungsbegrenzung von Vereinen. Immerhin, so Otto Eigen, wurde durch die Instanzen die Verquickung zwischen Bendzko und der Hausverwaltung offenbar. Die „Präzisa“ versuchte die SPD-nahe MI immer wieder zu bekämpfen – so wurde zum Beispiel Hans Apel untersagt, im Haus eine Wahlversammlung abzuhalten, dem Bauausschuß wurde nach einem Brand der Zutritt verwehrt, mehreren Umwandlungsgeschädigten wurde es verboten, ihr „Nein zum Eigenbedarf“ am Balkon zu plakatieren, und eine taz-Reporterin bekam Hausverbot, als sie über den Streit im Haus wegen der Umbenennung der „Reichssportfeldstraße“ berichten wollte. Wegen einer Ausstellung im Foyer zu diesem Thema forderte jüngst der Eigentümerbeirat sogar den Mieter Otto Eigen auf, das Haus zu verlassen: „Wenn die derart von ihrem Hausrecht Gebrauch machen, fühle ich mich 60 Jahre zurückversetzt!“ meinte dazu Eigen. Er hält im übrigen die ganze Wohnraumumtriebigkeit der über 5.000 Makler in dieser Stadt für einen „Mißbrauch von Menschenrechten“. Helmut Höge
wird fortgesetzt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen