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Die Logik der Logistik

■ taz-Serie zum Güterverkehr, Teil 2: Um den Stau zu vermeiden, werden die Spediteure einfallsreich: Sie planen gemeinsame Ausliefertouren, besondere Ladeplätze und die Lieferung per "Postbotenmethode"

Berlin steht: Bis zur Jahrtausendwende wird sich am Dauerstau nichts ändern, der auch den Güterverkehr auf den Straßen stark behindert. „Die Verkehrsströme müssen völlig umorganisiert werden“, fordert Gerhard Ostwald, Geschäftsführer des Verbandes der Spediteure Berlin- Brandenburg. Einige Speditionen sind bereits an den Stadtrand ausgewichen, doch beim Transport in die Stadt stehen die Wagen dann wieder im Stau. Das erste Güterverkehrszentrum (GVZ) in Großbeeren südlich von Berlin, das eine Entlastung bringen soll, wird frühestens 1999 fertig sein (die taz berichtete). In der Zwischenzeit müssen sich die Spediteure einiges einfallen lassen, um ihre Lkws trotz Dauerstau pünktlich an die Laderampe zu bringen.

„Die Durchsatzgeschwindigkeit der Lkws im Berliner Raum ist seit Ende der 80er Jahre um über 50 Prozent gesunken“, klagt Speditionsinhaber Rainer Welz. Das heißt, er braucht heute doppelt so viele Kraftwagen, um die gleiche Gütermenge transportieren zu können. Die erhöhte Verkehrsdichte ist laut Welz aber nicht der einzige Grund für die sinkende Effizienz im Güterverkehr. Die Händler hätten in den letzten Jahren immer engere Zeiten für die Warenannahme gesetzt. „Wenn ich meine Lieferungen alle schon bis Mittag vor Ort haben muß, kann ich mit den Fahrzeugen in der restlichen Zeit nichts mehr anfangen.“ Andererseits kann sich keine Supermarktkette halbleere Regale leisten, bloß weil der Lkw nicht zur vorgegebenen Zeit liefern konnte. Ein Ausweg: Die Waren werden nun zunehmend nachts angeliefert.

Entlastung für die Brummis brachte auch die Parkraumbewirtschaftung. Seitdem fließt der Verkehr wieder ein wenig flüssiger. Der Parksuchverkehr hat abgenommen, und die Brummis finden nun auch öfter freie Parkplätze, statt eine Fahrspur zu blockieren. „Auf Dauer reicht das allerdings nicht aus“, betont Welz. Der Grund: Seit dem Mauerfall werden wesentlich mehr Waren durch Berlin gekarrt. „Von 1990 bis jetzt hat sich meine Transportleistung um etwa 10 Prozent gesteigert“, berichtet der Speditionsunternehmer. Dieses Wachstum, prophezeit er, werde sich in den nächsten Jahren noch fortsetzen. Doch der Boom zieht auch die billigen Anbieter aus dem Umland an. „Diese enorme Konkurrenz drückt die Preise – und das, wo wir bei gleichbleibender Leistung mehr Lkws und Fahrer einsetzen müssen.“

Zunehmend suchen die Spediteure nach unkonventionellen Lösungen: Im Frühjahr 1993 setzten sich fünf von ihnen zusammen und planten eine gemeinsame „City- Logistik“ am Großmarkt. Nach altem Muster wären 230 Fahrzeugbewegungen an der Rampe des Marktes notwendig gewesen. Durch die Bündelung von Sendungen der fünf Spediteure auf einem Lkw schickten die Fuhrunternehmer nur 11 Brummis auf die Reise – eine Einsparung von jeder zweiten Fahrt eines Lasters.

Die „Initiative Plattform Karl- Marx-Straße“ in Neukölln versucht ebenfalls mit einfachen Mitteln, dem Verkehrsinfarkt auf der vielbefahrenen Einkaufsstraße vorzubeugen. Nach Beratungen mit Bezirksamt und Senatsverwaltung wurden im Juni acht Be- und Entladezonen auf dem Parkstreifen markiert. Erkennungszeichen: Ein Männchen mit Sackkarre. Bodo Manegold, CDU-Baustadtrat von Neukölln, ist zufrieden: „Der Verkehr fließt besser und die Geschäfte können in kürzerer Zeit beliefert werden. Nächstes Jahr könnten wir das System auch auf der Hermannstraße einführen.“

Zur Verkehrsentlastung auf der Karl-Marx-Straße hat auch eine Spedition mit einem anderen Konzept beigetragen: „Wir liefern dort nach der Postbotenmethode aus“, erläutert Olaf Bienek, Niederlassungsleiter der Spedition Kunzendorf. Viele Geschäfte haben sich bisher direkt von ihren Großanbietern beliefern lassen – mit jeweils eigenem Fahrzeug.

Heute schickt Kunzendorf nur einen Lkw, der gleich mehrere Kunden versorgt. „Das ist wesentlich effizienter“, freut sich Bienek. Die eigentlichen Warenlieferanten fahren nun alle in den nahegelegenen Umschlagplatz der Spedition. Dort wird das Sortiment vorsortiert und umgeladen. „Das ist zwar ein Arbeitsgang mehr als bisher“, so Bienek, „aber dafür stehen sich die Lkws vor den Geschäften nicht mehr gegenseitig im Weg oder blockieren den Verkehr.“ Außerdem werde das Fahrzeug durch dieses System wesentlich besser ausgenutzt. Dafür nahm die Spedition eine Umstellung von Verwaltung und Organisation in Kauf.

Die „Postbotenmethode“ ist jedoch kein universelles Heilmittel: Obst, Gemüse und frische Lebensmittel können nicht schnell genug geliefert werden. Die genaue Lieferzeit kann bei diesem Prinzip nicht vorherbestimmt werden, da der Brummi mehrere Kunden hintereinander beliefert. „Wir können da nur an die Geschäftsleute appellieren, sich einmal zu überlegen, ob denn wirklich alles Punkt neun Uhr im Laden sein muß“, so Bienek. Überhaupt müsse sich das Bewußtsein jedes einzelnen ändern, wolle man an der Verkehrssituation etwas ändern. „Wenn wir immer alles sofort haben wollen, geht nämlich irgendwann überhaupt nichts mehr.“ Lars Klaaßen

Am Freitag erscheint der nächste Teil der Serie mit dem Thema: Güterverkehr auf der Bahn.

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