: Fressen, saufen, schunkeln, singen
■ Football: Die Blue Devils verlieren das Finale gegen Düsseldorf, und die Fans feiern Von Edwin Feindt
„Wo wir sind, ist die Hölle los“: Daneben hatten die Fans der Hamburg Blue Devils den grinsenden Teufelskopf auf das blaue Laken gemalt. Nun hing es am Gitter neben zahlreichen anderen mehr oder weniger originellen Sprüchen. Aber keines drückte besser aus, was die Devils-Fans am Sonnabend in Braunschweig praktizierten.
Wie eine Heuschreckenplage waren bereits um 11 Uhr tausende Teufelsanbeter mit zwei Sonderzügen in die einstige Residenzstadt Heinrichs des Löwen eingefallen. Und ihre Zahl stieg stetig. Als um 14.10 Uhr der Kickoff zum Finale der 17. Deutschen Football-Meisterschaft zwischen Titelverteidiger Düsseldorf Panther und den Blue Devils erfolgte, waren es mehr als die Hälfte der 12.125 ZuschauerInnen, die das Braunschweiger Eintracht-Stadion in einen Hexenkessel verwandelten.
Die High Noon-Party auf dem Stadion-Vorplatz mit seinen Lustbarkeiten wie Bullriding, Live-Musik im Stile der Blues-Brothers, zahlreichen Freßzelten mit American Food und Saufständen mit American Beers diente ihnen als Einstieg in die Tribünen-Party. Kein Wunder, daß beim traditionellen Abspielen der amerikanischen und deutschen Nationalhymnen einige Fans im Takte mitschwankten.
Vor allem auf der Haupttribüne geht die richtige Party ab: Zu alten und neuen Hits schwenken sie die Arme, schunkeln und bewerfen sich mit allem, was aus Papier ist und als Ersatz-Konfetti dient. Und ständig brüllt die Meute: „Hamburg Blue Devils!“ Mit dem Einzug der behelmten und schultergepolsterten Gladiatoren erreicht die Lautstärke ihren ersten Höhepunkt: Die Düsseldorf Panther werden mit gellenden Pfiffen begrüßt, die Blue Devils mit ohrenbetäubendem Jubel, der die Ansage des Stadionsprechers locker übertönt.
Als die schwarzgewandeten Panther nach wenigen Minuten mit einem Touchdown von Timo Par-duhn (Extrapunkt: René Pitzner) in Führung gehen, feiern die Teufel-Fans unbekümmert weiter. Das anschließende Fieldgoal durch Michael Bogovic zum 7:3 belohnen die Cheerleader, die Blue Angels, mit ihrer berüchtigt-erotischen Showeinlage. Wer sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch blau-weiße Streifen im Gesicht oder den grinsenden Teufel auf T-Shirt, Jacke oder Cap als Blue-Devils-Fan zu erkennen gegeben hatte, outet sich jetzt: Beim kollektiven Hüftschwung zu George Michaels „Papa was a rolling stone“ springt jedeR auf die Sitze und lärmt, als wäre es der siegbringende Touchdown.
In der 2. Halbzeit wird das Trommelfell einer weiteren schmerzlichen Belastungsprobe unterworfen, als Dino Bucciol mit einem Touchdown die 7:10-Führung der Blauteufel erringt und als Draufgabe wiederum die Becken der Blue Angels kreisen. Doch der weitere Spielverlauf paßt nicht in das Partykonzept der Devils-Fans. Der Ausgleich zum 10:10 durch ein Fieldgoal von René Pitzner und der Touchdown des Düsseldorfers Frank Feist zum Endstand von 17:10 dämpft die Stimmung auf den Tribünen merklich.
Erst als bei der Siegerehrung den Düsseldorf Panthers zum sechsten Mal der häßliche Meister-Pokal überreicht wird, sind die Fans wieder da und skandieren immer wieder, nunmehr trotzig: „Hamburg Blue Devils!“
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