: Härter, schneller, trauriger
■ Im Modernes: „The Killer“ und „Hard-Boiled“, zwei Filme von John Woo: Action-Melodramen made in Hongkong
„Mr. Woo muß noch viel über das Filmemachen lernen!“ Mit dieser Bemerkung bugsierte sich der belgische Kickbox-Beau Jean-Claude Van Damme bei der seriösen Action-Fangemeinde endgültig ins Abseits. Zwar hat der Regisseur John Woo tatsächlich niemals eine Filmschule besucht, aber nichtsdestotrotz gelten seine perfekt durchgestylten und choreographierten Gewaltexzesse voller melodramatischer Schicksalsfügungen all jenen als Erfüllung ihrer Gebete, die ihre Filmunterhaltung lauter, schneller und härter als den faden Hollywood-Durchschnitt mögen. So einen hat Hollywood natürlich inzwischen eingekauft, aber den Fans bleiben immer noch die Hongkong-Filme des gebürtigen Kantonesen. In Deutschland fristen sie, grob fahrlässig geschnitten, schlecht synchronisiert und mit idiotischen Titeln versehen, ein Schattendasein in den Videotheken. Das Modernes hat sich nun ein Herz gefaßt und zeigt zwei dieser Filme im chinesischen Original mit englischen Untertiteln da, wo sie hingehören: auf der Leinwand.
In „The Killer“ pustet ein Killer beim Killen versehentlich einer unbeteiligten Sängerin das Augenlicht aus, was ihm sofort furchtbar leid tut. Fortan kümmert er sich rührend um sie, verliebt sich selbstredend und will seinen unfeinen Job an den Nagel hängen. Aber da ist auch noch die teure Augenoperation, die er seiner neuen Freundin bezahlen will. Also muß ein letzter Auftrag angenommen werden. Dieser läuft schief, und ein energischer Cop heftet sich dem Killer an die Fersen. Je öfter die beiden Gegenspieler allerdings aneinandergeraten, desto deutlicher entwickelt sich zwischen ihnen eine handfeste Männerfreundschaft.
Auch ohne seine wunderschönen Explosionen und graziösen Schießereien wäre „The Killer“ ein großartiger Film. Die Story ist zwar konstruiert, aber sie ist äußerst intelligent konstruiert. Die oftmals recht stillen Szenen zwischen Cop und Killer sind nagelkauend spannend, und die sentimentalen Passagen stecken jeden RTL-TV-Roman in die Tasche. Da die Gewalt bei aller Ästhetisierung den Charakteren stets eher schadet als nützt, kann man Woo sogar glauben, wenn er sagt, er wäre überzeugter Pazifist und seine Filme Statements gegen Gewalt. Gespannt darf man sein, was aus dem Stoff wird, wenn US-Regisseur Walter Hill seine Drohung wahr macht und ein Remake mit Richard Gere und Denzel Washington inszeniert.
„Hard-Boiled“ ist inhaltlich weitaus simpler gestrickt. Es gibt einen zornigen Cop, der den Zahnstocher nicht mal zum Rauchen oder Gesetzevollstrecken aus dem Mundwinkel nimmt, und es gibt zornige Waffenhändler, und es wird viel geschossen. Woo wollte damit die steigende Kriminalität in Hongkong anprangern. Ob ihm das gelungen ist, sei dahingestellt. Auf jedem Fall ist es ihm gelungen, in einem der exzessivsten Showdowns der Filmgeschichte ein Krankenhaus in Schutt und Asche zu legen und per gefahrenverachtender Rettung etlicher ganz süßer Babies aus der umkämpften Kinderstation noch ein paar Rührungstränen hervorzuquetschen.
Die Hauptrolle in beiden Filmen spielt Woos Lieblingsdarsteller Chow Yun-Fat. Leicht pausbäckig, aber auch mit gefährlichem Funkeln in den Augen, ist er die perfekte Besetzung für die Woosche Mischung aus Blut und Tränen. Nicht umsonst ist er in Hongkong nicht nur der Action-Star Nr. 1, sondern auch der oberste Seifenopernschwarm.
Andreas Neuenkirchen
The Killer“ am 21. und 26. 9., „Hard-Boiled“ am 25. und 27. 9. jeweils um 22. 30 Uhr im Modernes. Weitere Termine im Oktober.
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