: Green Valley, die nächste High-Tech-Revolution
■ In den Vereinigten Staaten erkennen einige Lokalpolitiker die Chancen für den Arbeitsmarkt, die eine umweltverträgliche Wirtschaft bietet
„Kalifornien führt einmal mehr die nächste technologische Revolution an.“ Was der Gouverneur des Goldgräberstaates, Pete Wilson, im Vorwort des Buches „Good, Green Jobs“ so vollmundig wie stereotyp anpreist, ist nicht die nächste Innovationsrunde im Silicon Valley, sondern die Umweltindustrie. „Good, Green Jobs“ rückt die derzeitige Diskussion im US-Senat über die allgemeinen Bedingungen für Gesundheits- und Umweltverordnungen in ein anderes Licht.
Demokraten und Republikaner beabsichtigen gleichermaßen, Unternehmen von den Kosten bundesstaatlicher Gesundheits-, Sicherheits- und vor allem Umweltvorschriften zu befreien. Umweltschützer kritisieren den aussichtsreichen republikanischen Entwurf als einen Rückschlag auf den Stand vor 25 Jahren, als unter Präsident Richard Nixon die ersten Umweltgesetze eingeführt wurden.
„Good, Green Jobs“ von Joel Makower bricht mit dem Vorurteil, das der Diskussion im Senat zugrundeliegt: Es zeigt, daß Firmen mit ökologischen Zielen oder unter dem Druck staatlicher Regulierung durchaus wettbewerbsfähig sein können, und zwar nicht trotz, sondern wegen der Vorgaben. Makower stellt den Lehrsatz in Frage, daß die Reduzierung von Umweltverschmutzung und Abfall weniger Investitionen und somit weniger Arbeitsplätze bedeutet. Für ihn gehen, wie er sagt, „Jobwachstum und Umweltbewußtsein Hand in Hand“. „Good, Green Jobs“ untermauert diese These mit einer Reihe von Fallbeispielen. Das Paradebeispiel ist West Coast Samples in Südkalifornien.
Die Druckerei für Einrichtungskataloge hatte ebenso wie vier Konkurrenten neue Bestimmungen bei der Entstehung Smog produzierender Gase wie Benzol einzuhalten. In einem neuen Werk ersetzte sie das konventionelle Verfahren durch eine Ultraviolett- Technologie, die die Verwendung umweltschädlicher Tinten und die anschließende Hitzetrocknung überflüssig machte. Die neuen Tinten kosten zwar doppelt soviel wie die ursprünglichen, sind aber um das Vierfache effizienter. Die Anzahl der Beschäftigten stieg von 90 auf 220 und der Profit um 25 Prozent.
Die vier Konkurrenten schrumpften, zogen nach Mexico oder machten ganz dicht. Die businessfreundlichen Republikaner hätten wie die Konkurrenten von West Coast Samples reagiert und auf die staatlichen Bestimmungen geflucht. Die Gesetzesvorlage der Republikaner sieht nämlich vor, daß Umweltvorschriften einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden.
Wenn die Kosten für Gesundheit und Umwelt nicht „zu rechtfertigen“ sind, dürfen Unternehmen per Petition die Aussetzung geltender Bestimmungen verlangen; falls die regulierende Behörde nicht sofort reagiert, tritt die Regelung sogar ohne weiteres außer Kraft. Für Joel Makower sollte Umweltpolitik mit Zuckerbrot und Peitsche hantieren. „Es muß ein System aus Anreizen und Strafen für Unternehmen geben, um das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen“, sagte er.
Bisher gibt es nur Strafen und sehr wenig Anreize. Umweltschutz funktioniert strikt nach Marktregeln, meint Makower. Deshalb müssen Unternehmen davon überzeugt werden, daß „es in ihrem Interesse liegt, in einem sauberen Umfeld zu produzieren. Umweltprobleme sind schlecht für das Geschäft.“
Kleine Dienstleistungsunternehmen beraten Firmen beim Bau von Anlagen und dem Rohstoffeinkauf. Ihre Unterstützung bei Marketing, Management und Finanzierung durch private Unternehmer oder Kommunen ist ein wichtiger Teil der Strategie. Die Kleinen werden die in den nächsten Jahren am stärksten wachsende Beschäftigungsgruppe sein; klassischerweise überleben aber nur 20 Prozent die ersten drei Jahre.
Für größere Unternehmen bietet Berkeley einen werbewirksamen Standort. Parallel zum Computer-Mekka Silicon Valley, fördert die alternative Universitätsstadt ihr eigenes Projekt „Green Valley“. Das ehrgeizige Öko-Zentrum bietet umweltorientierten High-Tech-Betrieben Unterstützung. In Zukunft sollen Arbeiter auf Stadtkosten in Umweltberufen ausgebildet und die Beziehungen zwischen den ansässigen Unternehmen und der Universität gesponsert werden. Im Gegenzug rechnet Berkeley mit mehr Jobs und Einnahmen.
Green Valley ebenso wie die anderen in „Good, Green Jobs“ aufgelisteten Umweltprogramme sind längst Faktoren in ihrer jeweiligen örtlichen Industrie. Makower: „Durch die Vermarktung von Umwelttechnologie und der Erfahrung unserer Unternehmen in unserem Land und auf der ganzen Welt können wir in einen Markt eintreten, der ein Potential von Millarden Dollar hat – und von unzähligen Jobs.“ Stefan Matzig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen