NZ hat Geburtstag: Medien-Mogul
■ Nordsee-Zeitung wird 100
Über Nacht wurde die Nordwestdeutsche Zeitung im Juli 1900 weltberühmt. Die Vorläuferin der heutigen Bremerhavener Nordsee-Zeitung, die jetzt 100 Jahre alt wird, veröffentlichte als einzige Zeitung die berüchtigte Hunnenrede von Kaiser Wilhelm II. Darin sagte der Kaiser: „Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt, sei Euch verfallen.“
Zwar verpflichtete Staatssekretär Bernhard von Bülow die Journalisten, den Text nicht ohne seine Streichungen zu drucken. Er übersah jedoch Josef Ditzen, den damaligen Chefredakteur der Nordwestdeutschen Zeitung, der die Rede mitstenografiert hatte. Die Nordwestdeutsche Zeitung druckte die Rede als einzige Zeitung in voller Länge ab.
Doch das war nicht das einzige Mal, daß die Nordsee-Zeitung Aufsehen erregte: 1923 bezeichnete sie Hitlers Putschversuch als einen Streich gewissenloser Fanatiker. 1973 deckte sie während des Jom-Kippur-Krieges auf, daß die Amerikaner über Bremerhaven Waffen nach Israel lieferten.
Bis heute ist die Nordsee-Zeitung ein Familienbetrieb. Verleger und Herausgeber Dr. Joachim Ditzen-Blanke ist der Adoptivsohn eines Nachfahren von Josef Ditzen, dem Mitbegründer und erstem Chefredakteur der NWZ. 1895 legte der Journalist den Grundstein für die NZ. Als er 1931 starb, übernahm sein Sohn Kurt die Geschicke der Zeitung, die am 7. Mai 1945 wegen des Krieges eingestellt wurde.
1947 vergaben die Amerikaner eine Lizenz an andere. Altverleger Kurt Ditzen mußte die „Nordsee-Zeitung“ zwangsverpachten. 1949 wurde er wieder Verleger. Er kooperierte mit den Bremer Nachrichten. Die Nordsee-Zeitung bekam die überregionalen Seiten (den Mantel) aus Bremen, bis sie 1971 eine Vollredaktion aufbaute. Aus Bremen kamen nur noch Sonderseiten. In der Zwischenzeit war Ditzen-Blanke Herausgeber und Verleger geworden. 1974 endete die Kooperation mit den Bremer Nachrichten endgültig.
Anfang der 70er Jahren kämpfen viele kleine Zeitung ums Überleben. Der Springer Verlag machte sich daran, landauf landab die Lokalzeitungen aufzukaufen. Ditzen-Blanke gründete daraufhin die Redaktionsgemeinschaft Nordsee, der insgesamt acht niedersächsische Zeitungen angehören: Cuxhavener Nachrichten, die Niederelbe-Zeitung in Otterndorf, Zevener Zeitung, Bremervörder-Zeitung, Stader Tageblatt, Buxtehuder Tageblatt, Altländer Zeitung sowie die Kreiszeitung Wesermarsch aus Nordenham. Die NZ liefert ihnen den Mantel.
Derart warm eingepackt, konnten die Lokal- Zeitungen überleben. Springer klopfte vergeblich an die Türen der Verleger. Die Ditzen-Gruppe hat sich mittlerweile zum Medien-Mogul entwickelt. Die Nordsee-Zeitung ist ein konkurrenzloses Monopolblatt.
Die Unternehmensgruppe gibt außerdem das „Bremerhavener Sonntagsjournal“, das „Bremen Magazin“ und das „Bremerhaven Magazin“ heraus. Ditzen ist am Hörfunk beteiligt. kes
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