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Wie es euch gefällt

Wie unter dem Deckmantel von Super RTL die Fernsehlizenz für einen Disney-Kanal besorgt wurde – und wie die Düsseldorfer Medienanstalt eifrigst mitspielte. Ein nordrhein-westfälisches Schelmenstück, auf die Bühne gebracht  ■ Von Lutz Meier

Prolog

Wir sind im Jahr 1994, das Bühnenbild ist in Frühlingsgrün getaucht – zugleich Sinnbild der Hoffnung diverser Medienkonzerne. Es geht um die letzten Fernsehlizenzen in Deutschland, die noch Aussicht haben, in nennenswerte Zuschauerreichweiten umgemünzt zu werden. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, singt der Chor der Bewerber.

I. Akt

Mit einem Lizenzantrag unter dem Arm tritt auf: die Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion (CLT), Gründerin des Quotenkönigs RTL. Die gerissenen Burschen von der Burg jenseits des Rheins wollen dem Volk ein „unterhaltungsorientiertes Spartenprogramm“ darbieten. Ein Kompagnon der Truppe hält sich in den Kulissen. Er trägt den Namen Walt Disney Corporation, ein „global player“, heißt es überall. Eine Verbindung spinnt sich an: Die Luxemburger Truppe braucht Programmaterial, die Amerikaner sind scharf auf eine deutsche Abspielstätte für ihren Riesenfundus. Rasch einigen sich die beiden über den weiteren Ablauf der Ereignisse: Zunächst soll der Kölner Ableger der CLT die Lizenz besorgen – sie zehren von ihrem Renommee bei den Düsseldorfer Oberen (Auftritte von US-Multis hingegen sind in Stadt und Land gefürchtet). Haben sie erst die Spielerlaubnis in der Tasche, darf Disney per Vertrag die Hauptrolle übernehmen.

Anschließend, so ist geplant, werden zunächst alte Klamotten aus dem RTL-Fundus geholt, die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung. Das ist billig, und es reicht, um die Lizenz zu parken für den Klimax. Den nennt der Vertrag „Phase II“, und die beginnt dann, wenn sich's lohnt: Dann darf der US-Partner seinen Namen über den Bühnenrand hängen und aus dem Super-RTL-Kanal einen richtigen Disney-Channel machen. So „übt Disney die vollständige Kontrolle über den monatlichen Programmplan“ aus – steht dort geschrieben.

Die CLT braucht man bis dahin wegen der Connections. In der Gesellschaftervereinbarung sagt die CLT zu, sie werde die geplante Umfirmierung „zur vollen Zufriedenheit aller deutschen Medienbehörden und sonstiger behördlicher Stellen“ betreiben.

II. Akt

In den Räumen der Landesanstalt für Rundfunk (LfR) in Düsseldorf. Eine Woche beschäftigt der Lizenzantrag die eifrigen Rundfunkkontrolleure, dann schicken sie am 20.7. der CLT einen Brief. Tenor: Möglicherweise gehe es nicht so schnell wie gehofft, schließlich müsse eine Zulassung mit den Medienanstalten der anderen Bundesländer abgestimmt werden.

Vor allem aber: Es könne „Verzögerungen“ geben, sollte der Disney-Einstieg bei dem Sender mehr sein als eine „bloße Option“. Schließlich wird in der Presse schon seit längerem über den bevorstehenden Deal heftig spekuliert. Am 17.8. schließlich informieren die Super-RTL-Anwälte die Medienwächter schriftlich über die Verhandlungen. Dennoch ist die LfR-Spitze nach Kräften bemüht, das Verfahren noch schnell ohne Disney abzuhaken. Denn neue Eigentumsverhältnisse würden alles von vorn beginnen lassen.

Immer, wenn in den Gremien der LfR jemand noch „Prüfbedarf“ anmeldet, wirft sich ihr Direktor Norbert Schneider oder seine Stellvertreterin Sabine Hadamik beschwichtigend in die Bresche. Am 19.8. scheint die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) den Fortgang des Stücks noch einmal zu verzögern: Ihr „Ausschuß Vielfaltssicherung“ meldet Bedenken an. Doch beherzt empfiehlt Schneider seinem Kabelausschuß vier Tage später erst recht die Zustimmung. Zwar fehlen immer noch Unterlagen des Antragstellers, sowie seine Handelsregisterauszüge. Doch auch das ist kein Problem: „Stellv. Direktorin Hadamik erläutert, bei den Handelsregisterauszügen handele es sich nur um eine Formalie“, berichtet das Protokoll der Sitzung.

III.Akt

Drei Tage später: Großer Krach in den Kulissen. Die Direktoren der DLM tagen in Frankfurt. Gegen Mittag muß einer von ihnen, es ist LfR-Chef Schneider, leider dringend abreisen. Wichtige Sitzungen ... Welche, das verrät er nicht. So beschließt die DLM ohne ihn, mit 13 zu 1 Stimmen: Super RTL ist nicht lizenzierungsreif. Eines der Bedenken, in den Worten von DLM-Chef Hege: „daß eine 50-Prozent-Disney-Beteiligung [...] nachgeschoben werden“ soll.

Telefonisch wird der Beschluß nach Düsseldorf übermittelt. Und wie es der Zufall will: In der geheimnisvollen Sitzung, zu der LfR- Chef Schneider so eilig abreisen mußte, geht es just – um Super RTL. Es tagt nämlich schon wieder der Kabelausschuß der LfR. Vor dem versucht Direktor Schneider, alle Zweifel zu zerstreuen. Den vom Antragsteller selbst angekündigten Disney-Einstieg nennt er immer noch „Vermutungen über andere Beteiligungen“. Denen solle man nicht folgen, zitiert ihn das Sitzungsprotokoll. „Ob man [...] nun auch entscheiden wolle“, hatte seine Stellvertreterin Hadamik schon schon drei Tage zuvor verkündet, sei „eine politische Frage“. Also wird entschieden; formell unter dem Vorbehalt des Votums der DLM.

Am 2. Dezember schließlich paraphieren Disney und CLT ihren Vertrag – der die Befürchtungen bestätigt, daß der Sender nach einer Schamfrist seine RTL- Verkleidung ablegen und sich als Disney-Kanal enthüllen will.

Doch auch das tut dem Fortlauf keinen Abbruch. Wird LfR-Vizechefin Hadamik in der Sitzung vom 9.12. gefragt, wie es sich denn mit (anderen) Disney-Beteiligungen in Europa verhalte, entgegnet sie, „daß auch diese Frage geprüft sei“. Ergebnis negativ. Tatsächlich aber ist sie sich gar nicht sicher. Auf dem Sitzungspapier steht nämlich später in ihrer hastigen Handschrift: „Ist meine Aussage betr. Disney Beteil. in Europa zutreffend?“ Nein, sie ist es nicht. Disney hat nämlich bereits eine Beteiligung an der britischen Firma „Good Morning TV“, die für ITV Frühstücksfernsehen produziert.

Und Direktor Schneider sagt ganz offen, was er will: „Sein [...] Interesse sei es, so zeitnah wie möglich [...] zu prüfen, um dem Zulassungsantrag [...] auch bei geänderten Beteiligungsverhältnissen gerecht zu werden.“

Man bemüht sich drum, auch wenn eine rechtsgültige Übersetzung des Disney/CLT-Papiers noch zwei Monate nach der Paraphierung nicht vorliegt. Da fordert Sabine Hadamik in einem Vermerk, die Lizenz gleich nach der DLM-Sitzung vom 14.2. an den Antragsteller zuzustellen: „Dies ist absolut vordringlich, damit die LfR in der Außendarstellung nicht in eine Problemlage gerät.“

Aber immer noch folgen die anderen Medienwächter dem Drängen der Düsseldorfer nicht. Man könne ja, erwägen sie, ausdrücklich nur die „Phase I“ lizenzieren – die Zeit, bevor Super RTL zum Disney-Channel wird. Doch dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen, dient doch „Phase I“ nur dem Warten auf Disney.

IV.Akt

Eine Woche später, schon wieder ein Konferenzraum. Doch bei dieser DLM-Sitzung kommt der LfR und Super RTL ein glücklicher Umstand zugute: Andere Herren haben ein ähnliches Anliegen wie sie. So kommt es zu dem, was DLM-Vorsitzender Hans Hege später einen „Kuhhandel“ nennen wird: Die einen lassen Bayerns „Übergangslizenz“ für Kirchs DSF mit seinen zwielichtigen Beteiligungen (u. a. von Berlusconi) passieren, dafür geben die anderen ihr Placet für Schneiders Super-RTL- Lizenz. Hege nimmt wegen des Kuhhandels seinen Hut als DLM- Vorsitzender.

V. Akt

Ein Bote tritt auf. Am 10.3.95 wird die Zulassung überbracht. Nur noch zwei kleine Einschränkungen stehen darin: „Wesentliche Änderungen“ des Programmcharakters bedürfen der Anmeldung. Und eine Umwandlung in ein Pay-TV müßte neu genehmigt werden. Kein Problem für die Protagonisten. Denn alle Veranstalter bauen mittlerweile auf die Deregulierung im Medienrecht in den nächsten zwei Jahren und nehmen drum die geltenden Auflagen nicht mehr allzu ernst. Schließlich, so hat es Pro-7-Chef Georg Kofler einmal formuliert, wird ja auch keiner mehr geköpft, wenn die Abschaffung der Todesstrafe bevorsteht.

Fehlt nur noch der Sofortvollzug, damit die Zulassung unaufhaltbar ist. Flugs setzt die LfR einen Bescheid auf, begründet die „bevorzugte Stellung des Veranstalters“. Wo ein so wichtiger Bescheid ausgestellt wird, darf auch Super-RTL-Anwalt Klaus Beucher mittun. Hier streicht er Passagen, dort setzt er welche ein. Handschriftlich fügt er die Worte „offensichtliche Rechtmäßigkeit“ ein und legt der LfR die Formulierung in einem Brief noch einmal nahe. Und die verweigert sich nicht.

Epilog

Das Stück ist vorbei. Seit 28. April sendet Super RTL, bevorzugt Wiederholungen. Doch halt, da kommt noch ein Akteur über die Seitenbühne. Wenn sich schon die Medienwächter nicht zum Anwalt von Recht und Gesetz machen, dann will er es tun. Pro 7, Thomas Kirchs Sender, klagt gegen das Zustandekommen der Lizenz. Man habe schließlich selbst Ärger gekriegt, als man einmal bei einem Bescheid in eigener Sache mitschustern durfte.

Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht weist die Klage einstweilig ab (Pro 7 habe keine Klagebefugnis), die Beschwerde dagegen liegt beim Oberverwaltungsgericht Münster. Dort will man gegen Ende Oktober entscheiden, ob das Stück wiederaufgenommen wird.

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