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SanssouciNachschlag

■ Brecht im BE: Über die Herrenmode und andere Katastrophen

In den Sechzigern bildete Manfred Karge mit Matthias Langhoff ein Regiegespann, das mit den Brecht-Abenden No. 1-5 versuchte, die offene, fragmentarische Form gegen die musealen Modellinszenierungen des Berliner Ensembles zu stellen. Ende der sechziger Jahre wechselten sie an die Volksbühne und arbeitet dort an den berühmten Spektakeln I und II mit, die als die ersten DDR-Theaterhappenings Geschichte machten. 1983 trennten sich die ihre Wege; Karge arbeitet seither im französisch- sprachigen Raum, Langhoff inszenierte in Köln, Bochum, Wien.

Beide haben sich nach der Wende noch einmal am BE versucht: Langhoff nahm sehr schnell seinen Hut als einer von fünf Direktoren und verabschiedete sich wieder Richtung Paris. Karge stellte jetzt einen Abend „Über die Herrenmode und andere Katastrophen“ zusammen. Er sieht aus wie das Klischee des Klischeegangsters bei Brecht. Hut, blauer Nadelstreifenanzug, ein aufgeschwemmtes Gesicht mit roten Lippen. Er ist barfuß, die Füße sind rot gefärbt. Auch seine MitspielerInnen tragen bevorzugt Herrenmode, ihre nackten Füße lugen grün oder gelb oder blau aus den Anzughosen: groteske Schleimfiguren mit bizarrem Äußeren und entsprechenden Verrenkungen.

Manfred Karge hat sich für sein Brecht-Programm, das eher unbekannte Lieder, Gedichte oder kurze Prosatexte enthält, ganz verschiedene Mitstreiter gesucht: Veit Schubert, langgedientes Ensemble-Mitglied und brechtgeschult, rezitiert; Eva Mattes singt und verkörpert überwiegend den lyrischen Teil, der der Liebe gewidmet ist; Eva Brunner, Anke Schüler, Thomas Ostermeier und Christian von Treskow kommen von der Ernst- Busch-Hochschule und gegen die Routiniertheit der beiden Altstars nicht ganz an. Die Programmteile heißen jeweils ganz brechtianisch: ÜBER ... Es gibt ein bißchen von allem: ein bißchen politischen Brecht mit seinen Kampfliedern, ein bißchen komisch-dialektischen Brecht mit seinen Weisheiten im Keuner- Stil, ein bißchen den lyrischen Brecht mit seinen (Liebes)Gedichten. Groteskes Cabaret ist Karge mit seinem Abend nicht gelungen. Wenn er aber selbst Brecht-Balladen vorträgt, vergißt man das Drumherum, das schnell albern und bemüht wirkt. Und was wissen wir nun über die Herrenmode? Blaue, rote, gelbe, grüne Füße: keine Katastrophe. Sabine Seifert

Nächste Vorstellungen am 16. und 19. 10., 19.30 Uhr, Berliner Ensemble, Bertolt-Brecht-Platz, Mitte.

Gruppenbild mit Karge (rechts) Foto: Thomas Aurin

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