: Hamburgermontage mit der Stechuhr Von Ralf Sotscheck
„60 Prozent mehr Rindfleisch als McDonald's“, verspricht das Plakat im Fenster der Burger-King-Filiale in Cardiff. Die Waliser mögen Fast food, fast an jeder Ecke in der Innenstadt haben sich irgendwelche Fleischbrötchenmonteure breitgemacht – gute Aussichten also für Jugendliche, einen Job zu finden. „Wir möchten, daß Sie für uns arbeiten“, heißt es denn auch im zweiten Schaufenster bei Burger King. Ob jung, ob alt, ob männlich oder weiblich spielt keine Rolle. Aber bescheiden müssen die BewerberInnen sein.
Burger King gehört dem britischen Getränkekonzern Grand Metropolitan, der sich auf schottischen Whisky spezialisiert hat und im vergangenen Jahr Gewinne von umgerechnet rund 1,5 Milliarden Mark vor Steuer erzielt hat. Die Direktoren wurden deshalb mit einer Erhöhung ihrer Bezüge um 14,5 Prozent belohnt. Das Unternehmen leistet sich auch eine Wohlfahrtsorganisation, den Grand Metropolitan Trust, der die offizielle Karriereberatung in Süd- London übernehmen wird, wenn sie demnächst privatisiert wird.
Dann müßten die Whisky- Wohltäter ihren KlientInnen jedoch dringend davon abraten, einen Job bei Burger King anzunehmen. Die Angestellten der Rinderhackbraterei kommen nämlich mitunter nicht mal auf einen Stundenlohn von einem mickrigen Pfund. Ein 17jähriger, der die elastische Ware in der Filiale in Glasgow zusammenbaute, warf schon nach drei Wochen das Handtuch, informierte jedoch zuvor die Presse von den Praktiken der Sklaventreiber. Zwar zahlte man ihm theoretisch grandiose 3,10 Pfund pro Stunde, doch wenn wenig zu tun war, mußte er sich an der Stechuhr abmelden und auf eigene Kosten herumsitzen, bis der nächste Run auf die Klopse einsetzte.
„Einmal schickte man mich bereits eine Viertelstunde nach Beginn meiner Fünf-Stunden-Schicht nach Hause“, sagte der 17jährige, „mehr als vier Stunden habe ich nie gearbeitet. Meistens arbeitete ich zwei von den fünf Stunden und saß den Rest der Zeit herum, ohne dafür bezahlt zu werden.“ Der Vater, ein Grundschullehrer, glaubte, sein Sohn habe etwas mißverstanden, als er von den Vertragsbedingungen erzählte. „Dann zeigte er mir seine Stechkarte, und ich war wütend“, sagte der Vater. „Das wirft kein gutes Licht auf das Großbritannien von heute.“ 1986 haben die Tories die Lohnräte für Jugendliche abgeschafft, vor zwei Jahren auch für Erwachsene. Die Lohnräte wachten seit Anfang des Jahrhunderts über die Einhaltung von Mindestlöhnen, doch Arbeitsministerin Gillian Shephard erklärte sie zum Anachronismus.
Von der Labour Party ist in dieser Hinsicht auch nichts zu erwarten, sie schreckt aus Angst vor Jobverlusten vor einem konkreten Mindestlohn zurück. In den USA ist dieser im April 1991 auf 4,25 Dollar die Stunde angehoben worden, im Staat New Jersey ein Jahr später auf 5,05 Dollar. Dennoch ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Schnellfutterindustrie sogar gestiegen. Chris Pond, der Sprecher für die Niedriglohngruppen, sagte: „Großbritannien wird zum Taiwan Europas, wo es nicht mehr länger auf Qualität ankommt, sondern auf die Lohnkosten.“ Vielleicht sollte Burger King in Zukunft keine US-Hamburger verkaufen, sondern chinesische Frühlingsrollen. Mit 60 Prozent mehr Bambussprossen als McDonald's.
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