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■ 99,9 Prozent – im Irak und anderswoWieder mal doppelte Standards

Es waren klassisch arabische Wahlen. „Ja, ja, ja zu Saddam“, hieß es unvoreingenommen auf den Plakaten in den irakischen Wahllokalen. Die Festlichkeiten für den alten und neuen irakischen Präsidenten liefen bereits auf vollen Touren, da waren die Stimmen noch nicht einmal offiziell aufgezählt. Der zweite Vorsitzende des Präsidentenbüros, Abdel Gawad Thalnun, brachte es auf das absolutistische Motto: „Der Führer ist Irak, und Irak ist der Führer.“

Und noch etwas anderes ist klar geworden. Sagt die Abstimmung auch rein gar nichts darüber aus, was die Iraker und Irakerinnen nun wirklich denken, die Tatsache, daß ein solches Brimborium ohne größere Zwischenfälle organisiert werden konnte, zeigt, wie weit Saddam Hussein die innenpolitische Lage noch kontrolliert.

Aber der westliche Fingerzeig auf den Irak, mit dem klugen Hinweis, man habe es ohnehin schon gewußt, daß Saddam sein Volk unterdrückt, zeigt wieder einmal mehr die ganze Doppelmoral. In den von USA und Europa massiv unterstützten Golfmonarchien wurde das Volk auch noch nie um seine Meinung gefragt. Saudi-Arabien ist der König, und der König ist Saudi-Arabien. Aber solange der für billige Öllieferungen sorgt, scheint das niemanden weiter aufzuregen.

Auch das mühelos befreite Kuwait wird als alles andere als das demokratische Musterbeispiel der Region gehandelt. Und Europas und der USA weiland größter Freund, der ehemalige ägyptische Präsident Anwar Al-Sadat, konnte bei jeder Wahl mühelos 99-Prozent-Ergebnisse vorweisen. Ein ägyptischer Scheich hat das einmal sehr treffend kommentiert. „Wenn wir eine Abstimmung über unseren Gott und Propheten machen würden, er bekäme nicht das gleiche Ergebnis.“ Aber was soll's, immerhin hat er ja einen Friedensvertrag mit Israel abgeschlossen.

Das wäre vielleicht der klügste Schachzug für Saddams neue siebenjährige Amtszeit: Normalisierung der Beziehungen mit Israel und, nach einem möglichen Ende des Embargos, die Lieferung billigen Öls. Dann würden selbst solche unsinnigen Volksabstimmungen keine Schlagzeilen mehr machen. Schließlich wäre Saddam dann Friedensengel und Handelspartner in einem. Karim El-Gawhary

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