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Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...ist eine Fiktion. Eigentlich gibt es ihn gar nicht. Dafür existiert er als eine Summe all der Bilder, die sich die Menschen von ihm gemacht haben, jeweils in ihrer Zeit. Aus jeder Periode ist etwas hängengeblieben, und jedes Klischee, das produziert wurde, um ihn sichtbar zu machen, erzählt mehr über die Zeit, in der es entstanden ist, als daß es etwas aussagen würde über den schwulen einzelnen.

Da gab es – seit der Erfindung des Homosexuellen im letzten Jahrhundert – den Kranken, der abgelöst wurde durch den Kriminellen, und der Neurotiker machte Platz für den Kinderschänder. Darauf folgten die Tunte als Running Gag, die Horrorvision des Sexmaniacs und das sieche Aids- Opfer. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich derzeit eingependelt auf den schlichten Homo, der anpassungsfähig ist und heiratswillig und dabei fast so normal wie du und ich. Daß diesem Abziehbild noch eins draufzulegen ist, bewiesen die Image-Macher in den letzten Wochen: In einem großangelegten Medien-Hype wurde der schwule Manager eingeführt. Der Stern widmete ihm so viele Seiten wie das Manager Magazin, und die Nachrichtenagenturen klapperten nach für die lokalen Multiplikatoren im ganzen Land. Aber was ist dran am Krawattenmann aus der Führungsetage? Glaubt man den allseits gleichgestrickten Texten, so leben die rosa Nadelstreifen in einem einzigen Jammertal. Von der „Hölle“ spricht das Manager Magazin, von „Camouflage“ und „Denunziation“ wispert der Stern. Der Rest sind Geschichten, die das Arbeitsleben schreibt, bei Managern und Möbelpackern, bei Verkäufern und Vertretern, bei Arbeitern und Angestellten. Mit Diskriminierungen und Entlassungen, Sticheleien, Mobbing und blöden Sprüchen. Da ergeht es dem einen Schwulen so gut oder so schlecht wie dem anderen.

Und doch ist die Klage diesmal so groß, daß die Frage bleibt: Warum diese geballte Anteilnahme am Managerschicksal? Ein Blick auf die großzügigen Fotostrecken in den Magazinen hilft vielleicht weiter. Zum Verwechseln ähnlich schauen uns da freundliche Herren an, in gepflegter Kleidung und in gepflegter Umgebung. Da stört kein Ohrring und keine Boa, kein Ledergeschirr und kein puffiges Interieur. Alles strahlt Solidität aus und Wohlstand, Seriosität und Anständigkeit. Keine Exotik mehr und keine Erotik. Und nicht einmal mehr die vertraute Nähe vom Nachbarn eine Treppe tiefer.

In diesen Bildern scheint der Schlüssel zu liegen zum besseren Verständnis für die neuerliche Imagekorrektur. Der Schwule als Mann von nebenan ist banal geworden, eine Etage höher darf es schon sein. Da, wo sich alle hinstrecken, weil die Macht dort sitzt und das Geld. Und die Weichen dort gestellt werden für Arbeiter- und Warenbewegungen. Elite halt. Dieser neuerliche Platzverweis kommt dem lädierten schwulen Selbstwertgefühl natürlich gerade recht, und solche Probleme wie das Ich-möchte-meinen-Lebenspartner-gerne-zum-Geschäftsessen- mitnehmen sind auch bald gelöst. Doch die Magengeschwüre, Intrigenspiele und Karriereknicke sind üblich in dem Metier und wahrlich keine exklusive Homo-Sache. Deshalb warten wir ab, bis der schwule Manager von der Bildfläche verschwindet und die nächste Erfindung an der Reihe ist.

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