piwik no script img

In allen Tonlagen wurde sie beschworen: Die Zukunft, wie die CDU sie will. Doch in einer der wichtigsten Fragen konnten sich die Reformer nicht durchsetzen. Ein Frauenquorum wird es nicht geben, die konservative Basis stoppte ihre Vordenker

In allen Tonlagen wurde sie beschworen: Die Zukunft, wie die CDU sie will. Doch in einer der wichtigsten Fragen konnten sich die Reformer nicht durchsetzen. Ein Frauenquorum wird es nicht geben, die konservative Basis stoppte ihre Vordenker.

Eine Niederlage für die Modernisierer

Für Parteireformer Peter Hintze sollte es der „schwarze Mittwoch von Karlsruhe“ werden: „Ich möchte den Mitgliedern nicht von diesem Parteitag aus mitteilen, daß mich ihr Votum nicht interessiert“, hatte der CDU-Generalsekretär mit dem steifen Auftreten und den guten Absichten am Vormittag noch seine 1.000 Delegierten beschworen. Zwei Stunden später war dann nicht nur die von Hintze so dringend gewünschte „Mitgliederbefragung zu Sachthemen“ gescheitert. Auf der Strecke blieb in Karlsruhe auch der lange vorbereitete Versuch, die Partei für Frauen attraktiver zu machen und dem Funktionärsapparat wenigstens ein mageres Drittel-Frauenquorum abzuringen.

Ein Signal der Erneuerung hatte sich die Regie als Schlußpunkt des dreitägigen „Zukunftsparteitages“ gewünscht. Statt dessen stand Hintze vor der undankbaren Aufgabe, die Reformresistenz der CDU den Journalisten als Erfolg zu verkaufen.

Da half es denn auch nichts mehr, daß der in der Schwarzwaldhalle immer wieder gefeierte Bundeskanzler für das Drittel-Quorum in den Ring gestiegen war. Seinen eigenen Wandel vom Quotengegner zum Befürworter des Quorums hatte Helmut Kohl am Podium geschildert, das Zurückdrängen von Frauen aus Führungspositionen beklagt und davon gesprochen, daß eine stärkere Öffnung gegenüber Frauen für die Partei „existentiell“ wichtig sei. Die Entwicklung führe „nicht in einer vernünftigen Weise ins 21. Jahrhundert“, urteilte der Kanzler und versuchte damit eine Verbindung zum Zentralthema des Parteitages zu schlagen. Am Schluß seiner Pro-Quorums-Rede stand der dramatische Appell: „Ich bitte ganz persönlich einen jeden und eine jede von Ihnen, zuzustimmen!“

Die Funktionäre freilich sperrten sich. Der Druck der Kanzler- Vorgabe versandete in einer minutenlangen Diskussion darüber, ob sofort in der Sache oder erst über das Vorgehen geheim abgestimmt werden sollte.

Helmut Kohl fehlten nur fünf Stimmen

Nach geheimer Abstimmung zur Sache fehlten schließlich fünf der notwendigen 501 Stimmen. Generalsekretär Hintze fand so schnell die entschuldigende Erklärung, von den 1.000 Delegierten seien schon zu viele abgereist. Nur noch 821 Stimmen hätten sich eingefunden. Daher sei die Abstimmung ein Erfolg, denn eine Mehrheit der Anwesenden (496) habe der Reform immerhin zugestimmt.

Mehreren jungen Delegierten waren dagegen die Tränen in die Augen gestiegen, als das für sie enttäuschende Ergebnis bekanntgegeben wurde. Weder die stetige Überzeugungsarbeit von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth („Worüber wir heute entscheiden, ist keine Frage des Zeitgeistes, sondern eine Zukunftsfrage“) noch die Auftritte von Nachwuchspolitikern wie Christian Wulff aus Niedersachsen und Klaus Escher, dem Chef der Jungen Union, hatten Wirkung gezeigt.

Deutlich abgeschmettert hatte der Parteitag zu diesem Zeitpunkt schon den Antrag des Bundesvorstandes, Mitgliederbefragungen zu allen Themen zuzulassen. Nur 331 von 1.000 Delegierten sprachen sich für dieses partizipatorische Element in der Parteistruktur aus, das zudem die Macht der Parteiführung noch nicht einmal angetastet hätte: Laut Antrag sollte der Vorstand darüber entscheiden, mit welchen Fragestellungen die Mitglieder behelligt worden wären.

Fraktionschef Wolfgang Schäuble hatte bereits im Vorfeld des Parteitages ausdrücklich vor Mitgliederbefragungen gewarnt. Nun prangerten Plebiszit-Gegner die Vorlage ihres Generalsekretärs als populistisches Nachgeben gegenüber politischen Moden an. „Die Union ist glücklicherweise nicht die Partei des Zeitgeistes“, urteilte Fraktionsvize Rupert Scholz und verwies auf das „Debakel des Herrn Scharping“. Der Staatsrechtler malte Schwarz in Schwarz: „Wer die Flucht in die Verantwortungslosigkeit antritt, schlägt einen Sargnagel in die eigene Demokratiefähigkeit.“

Die Unterscheidungsbemühungen eines Norbert Blüm fanden da offenbar nicht mehr den Weg in die Köpfe der Delegierten. Der Arbeitsminister argumentierte, gerade diejenigen müßten für eine Öffnung der Parteien stimmen, die sich gegen plebiszitäre Elemente im Grundgesetz wendeten.

Das Frauenquorum bleibt auf der Tagesordnung

Ein Kompromißantrag fand dann nur noch deshalb eine Mehrheit, weil das Tagungspräsidium auf eine schriftliche Abstimmung verzichtete und ihn nach kurzem Kartenheben für angenommen erklärte. Während alle Sachfragen weiterhin allein von den Gremien entschieden werden, dürfen CDU- Mitglieder künftig über Personen abstimmen. Voraussetzung ist jedoch auch hier, daß der Bundesvorstand dies genehmigt. Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf und Verteidigungsminister Rühe gelten als die wichtigsten Initiatoren dieses Kompromisses.

Das Elend der Partei mit den Frauen hatte Hintze in seiner Grundsatzrede breit ausgeleuchtet. Die CDU dürfe sich nicht damit abfinden, daß bei einem Frauenanteil von 54 Prozent in der Bevölkerung der Frauenanteil in der CDU nur 25 Prozent betrage und daß im Bundestag nur 13,9 Prozent der Unionsabgeordneten Frauen seien. Für die „langfristige Mehrheitsfähigkeit“ der Partei sei das Frauenquorum unerläßlich.

Dieses bleibt jedoch auf der Tagesordnung: Während eine junge Unionsfrau nach der Abstimmung geknickt das Scheitern ihrer langwierigen Arbeit kommentierte, empörte sich eine Quotengegnerin vom Ring Christlich-demokratischer Studenten über Helmut Kohl. Dieser hatte nämlich angekündigt, den Antrag auf Einführung eines Quorums dem kommenden Parteitag erneut vorzulegen. Daß der Kanzler sich nicht für alle Zeiten dem Mehrheitswillen von Karlsruhe beugen wollte, will sie ihrerseits nicht hinnehmen: „Das ist das Allerletzte“. Hans Monath, Karlsruhe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen