Sanssouci: Vorschlag
■ Der Traum, das Auge des Lebens – Mia Couto liest im HdKdW
„Ich will berichten von den Zeiten in ihrer ruhigen Ordnung [...] Aber die Erinnerungen fügen sich nicht, wollen nichts sein oder möchten mich der Gegenwart rauben. Lasse ich die Geschichte angehen, lösche ich mich selbst aus. Am Ende dieser Aufzeichnungen werde ich wieder ein Schatten ohne Stimme sein.“ Mit diesen Worten beginnt Kindzus erstes Heft. Kindzu, Erzählerfigur in Mia Coutos Roman „Das schlafwandelnde Land“, ist ein junger Mosambikaner. In zehn „Heften“ erzählt er von seinem Leben in einem Land, in dem 30 Jahre Krieg den Menschen mit der materiellen Grundlage auch Träume, Ursprünge, Erinnerungen und Hoffnungen geraubt haben. „Der Traum ist das Auge des Lebens“, heißt es in dem Buch. Und wie im Traum liegen Erzählebenen und Geschichten hier über- und nebeneinander. So sind Kindzus „Hefte“ nicht einfach aufgeschrieben, sie werden von Muidinga vorgelesen. Gemeinsam mit dem alten Tuahir ist er auf der Suche. Wonach? Das wissen beide nicht genau.
Coutos 1992 erschienenes Buch „Das schlafwandelnde Land“ ist der erste Roman des 40jährigen Autors, der mit Erzählungen berühmt geworden ist. Mit der Bezeichnung Roman ist er nicht so recht zufrieden. Eine Romantradition fehlt in Mosambik. An ihrer Stelle steht die jahrhundertealte Kunst des Geschichtenerzählens, die „orale Literatur“. Mia Couto gilt als einer der wichtigsten jüngeren Autoren Afrikas und als einer der bedeutendsten Schriftsteller im portugiesischen Sprachraum – ein Spagat zwischen den Welten, und immer wieder wird dem Sohn portugiesischer Einwanderer in seiner Heimat das Verständnis für Afrika abgesprochen. Dabei ist er selbst in schwierigen Zeiten in Mosambik geblieben – ungewöhnlich für einen „gebildeten Weißen“. Auch Coutos eigenwillige Sprache irritiert. „So gekämpft und gelitten habe ich bei keiner Übersetzung“, sagt Coutos Übersetzerin Karin von Schweder-Schreiner, der es gleichwohl ungewöhnlich gut gelungen ist, ein deutsches Pendant zu Coutos lautlicher Sprache zu finden. Nele-Marie Brüdgam
Heute, 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles- Allee 10, Tiergarten
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