: Die Glatze kämpft gegen den Fall
Walter Momper kämpft in Neukölln um Direktmandat und politische Zukunft. Doch seine rot-grüne Kampagne hat die Chancen nicht gefördert ■ Von Dirk Wildt
Für den Mann mit dem roten Schal wird es schwer. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Regierender Bürgermeister hatte er sich mal von CNN-Reportern sagen lassen, mit seiner Popularität hätte er jede Senatorenwahl in Amerika gewonnen. Jetzt wird der 50jährige sehr wahrscheinlich nicht einmal mehr ein Abgeordnetenhausmandat erringen, weil seine Partei ihm einen aussichtsreichen Listenplatz verwehrte.
Sein Kampf um ein Direktmandat im Neuköllner Wahlkreis 3 aber scheint der Abgeordnete schon vor der Wahl verloren zu haben – Momper kann nur ins Parlament einziehen, wenn die SPD landesweit mehr als 33 Prozent der Stimmen gewinnt. Von diesem Wert aber können die Sozialdemokraten derzeit nur träumen.
Momper führte mit seinen rot- grünen Gesprächen zwar den interessantesten Wahlkampf. Er versuchte anzubieten, was etwa SPD- Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer bis heute vermissen ließ: klare Aussagen, wofür die SPD nach der Wahl mit welcher Partei zusammenarbeiten möchte. Nämlich mit den Grünen. Für einen ökologischen sowie verkehrspolitischen Aufbruch. Für eine Polizei, die tatsächliche und nicht vermeintliche Sicherheit schafft. Für eine restriktive Haushaltspolitik mit der bündnisgrünen Michaele Schreyer als Finanzsenatorin.
Doch es lag auch an seiner Partei, daß die rot-grünen Gespräche die in sie gesetzten Erwartungen enttäuschten. Statt der erwünschten 300 Gäste kamen jeweils nur 80. Auf dem Podium mäkelten die Grünen, daß mit Momper der falsche Mann den richtigen Wahlkampf und mit Stahmer die richtige Frau den falschen Wahlkampf betreibe.
Die spröde Beziehung zum ehemaligen Regierenden Bürgermeister kommt nicht von ungefähr. Schließlich wird „König“ Momper angelastet, mit seinem autoritären Verhalten und der brutalen Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße 1990 das rot-grüne Bündnis kaputtgemacht zu haben. Jetzt kämpft Momper als One- man-Show für eine Neuauflage der damaligen Koalition.
Doch ohne rot-grünes Signal von der Parteispitze mutierten Mompers Gespräche mit den Bündnisgrünen zu bedeutungslosen Sandkastenspielen. Das Abrutschen der SPD in Umfragen bis deutlich unter die 30-Prozent- Marke tat ein übriges, das Interesse für seine Kampagne zu reduzieren, weil die rechnerische Möglichkeit für einen Regierungswechsel geschwunden ist.
Und so hat Momper sich gleich zwei Beine gestellt. Sein rot-grüner Wahlkampf wird nämlich innerparteilich als Affront gegen die Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer gewertet, die bis heute keine Koalitionaussage treffen mag. „Ingrid hätte Momper die Fresse stopfen müssen“, heißt es aus Stahmers Umfeld. Sie gewann im Februar die Urwahl gegen den Konkurrenten, der nach seinem Wechsel 1992 in die windige Immobilienfirma Ellinghaus als Landesvorsitzender stürzte.
Doch Momper ließ sich anschließend nicht in die Parteidisziplin nehmen. Stahmer werde sich schon deshalb hüten, Momper zum Senator zu machen, hört man hinter den Kulissen. Im Falle eines schlechten Wahlergebnisses hätte die SPD ohnehin viel weniger Pöstchen zu verteilen, außerdem wird der Senat von 16 auf elf Ämter verkleinert.
Und gerade wegen seiner rot- grünen Kampagne steht es auch um Mompers Direktmandat schlecht. In dem Neuköllner Wahlkreis kandidiert die CDU-Abgeordnete Annelies Herrmann, die bereits bei der Wahl 1990 mehr als die Hälfte der Stimmen bekam. Die karikative Politikerin profitiert nicht nur von der CDU- Mehrheit in dem konservativen Viertel zwischen Neuköllner Schiffahrtskanal und Karl-Marx- Straße, sondern auch von ihrem Engagement. In ihrer Funktion als sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion hat sich die 53jährige Annelies Herrmann ein- bis zweimal monatlich in Senioren- und Jugendheimen sowie Sozialeinrichtungen ihres Wahlkreises blicken lassen.
Momper wirbt zwar in Postwurfsendungen mit dem Satz: „Wir als Volksvertreter tun gut daran, mehr auf die Menschen zu hören. Deshalb brauchen wir mehr Kontakt zur Frau und zum Mann auf der Straße.“ Aber die Täler der Kommunalpolitik sind dem Mann in Wirklichkeit nur lästig, der die Gipfel internationaler Politik bestiegen hatte und einst begehrter Staatsgast in Moskau, Paris und London war.
Momper selbst zeigt sich zugeknöpft, wenn man ihn in diesen Tagen nach seiner Zukunft fragt. Nach dem Scheitern von Rot-Grün sagte er einmal, er habe immer gewußt, daß die Macht nur geliehen sei. Und: „Ich bin nicht der Typ, der Dinge hinschmeißt.“ Seinen Ehrgeiz will ihm niemand absprechen. SPD-Fraktionssprecher Klaus-Peter Stadtmüller etwa ist sich sicher: „Momper kommt bald wieder.“
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