: It's party time in New York
New York (taz) – Was haben die Staatschefs von Iran, Guinea, Burkina Faso, Malaysia, Papua- Neuguinea, Sudan und Deutschland gemeinsam? – Keine Zeit für das 50jährige Jubiläum der UNO. Auf dem Geburtstagsgipfel in New York lassen sie sich von ihrer zweiten Garde vertreten. Für Helmut Kohl ist Klaus Kinkel angereist.
„Für die Mitgliedsstaaten hat die UNO einfach keine Priorität“, monierte UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali, eine Hand zur Faust geballt, die andere in der leeren Tasche. „Diese Feier ist eine Gelegenheit für Sie, die Chefs der Mitgliedsstaaten, sich zu überlegen, was Sie von der UNO wollen!“ Was die UNO von ihren Mitgliedern will, ist einfach: daß sie ihre Schulden bezahlen, eine Kleinigkeit von 3 Milliarden US-Dollar. Doch erst einmal wollten am Sonntag alle auf das Gruppenfoto. – Fast alle: Klaus Kinkel hatte so früh noch anderes zu erledigen.
Das Schönste an der Veranstaltung sind die kleinen diplomatischen Nadelstiche, die Delegierte freigiebig austeilen dürfen. Boris Jelzin zum Beispiel nutzte die Jahrhundertversammlung, um gegen die Nato-„Expansion“ nach Osten zu wettern: „Heute einen Block zu stärken, bedeutet morgen eine neue Konfrontation!“ Da horchten die 2.000 Journalisten auf. „In einer verschleierten Kriegsdrohung hat heute der russische Präsident...“ hieß es in der New York Times“.
Bill Clinton freute sich über die Gelegenheit, seinen Intimfeind Fidel Castro zu ärgern. In der westlichen Hemisphäre sei jede Nation den Weg der Demokratie gegangen, schwärmte er, „mit einer Ausnahme“ – ups, da verschluckte sich der Kubaner fast an seinem Glas Wasser. „Das obsolete Vetoprinzip und der Mißbrauch des Sicherheitsrates durch die Mächtigen sind ein neuer Imperialisus innerhalb der Vereinten Nationen“, konterte er später. Doch da hatte die US-Delegation schon geschlossen den Saal verlassen. Beinahe wäre es der US-Regierung sogar gelungen, Castro von allen Partys in New York zu verbannen. Nur die UNO ließ das nicht mit sich machen. Beim sonntäglichen Mittagessen mußten Clinton und Castro Rücken an Rücken sitzen.
Irgendwie kommen Betrachter dieses Spektakels auf dumme Gedanken. Während wir auf der Tribüne über der Generalversammlung sitzen, raunt eine Journalistin im Nachbarsessel: „Jetzt müßte man ein Papierflugzeug runterwerfen, auf dem steht: ,Hi, Fidel! Liebe Grüße, Deine Uschi.‘“ Pierre Van Hoeylandt
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