: Halloween – Nacht der Vampire mit Zahnspangen Von Andrea Böhm
Alle Jahre wieder laufen sie über Amerikas Mainstreets. Skelette mit Fistelstimmchen, Vampire mit Zahnspangen, Frankensteins mit Schuhgröße 33. Gestern war Halloween – jene Mischung aus Fasching, Mundraub und vorweihnachtlichem Höhepunkt für die Süß- und Spielwarenindustrie in den USA. Da läuft der Nachwuchs des Landes – den Bauch voller Erdnußtörtchen, Marshmellows und Gummibärchen, den Kopf voll mit Horrorvideos – von Haustür zu Haustür und stellt die Bewohner vor die Wahl: „Trick or treat!“ Soll heißen: Entweder rückst du Süßigkeiten raus oder wir spielen einen Streich. Ersteres zu verweigern kann zur Folge haben, daß der Garten mit Klopapierrollen oder die Hauswand mit Eiern bombardiert wird. Der Brauch geht bekanntermaßen auf ein heidnisches Ritual in Schottland und Irland zurück, wo man mit von Kerzen erleuchteten Kürbissen die Geister der Toten und die Götter beschwichtigte.
In der Neuen Welt hat das Ritual mittlerweile an Unschuld verloren. Mein Nachbar sah sich an Halloween denselben vier kleinen Horrorfiguren gegenüber, die ihm ein paar Wochen zuvor in Zivil und mit Messern bewaffnet vor seinem Haus Geldbeutel und Fahrrad abknöpfen wollten. Dieses Mal kam ihnen nur ein unschuldiges „trick or treat“ über die Lippen. Ob die Götter beschwichtigt waren, ist eine andere Frage.
Doch solche Fälle sind die Ausnahme. In der Regel müssen an Halloween Kinder vor Erwachsenen geschützt werden. Altbekannt sind mittlerweile die Horrorgeschichten von Rasierklingen oder anderen Scheußlichkeiten im Schokoladenriegel. Bekannt auch der Fall des japanischen Austauschschülers, der vor einigen Jahren auf der Suche nach einer Halloween-Party an der falschen Haustür klopfte, dem Hausbesitzer höflich „Happy Halloween“ wünschte und daraufhin von selbigem – vermutlich im Vietnam-Reflex – erschossen wurde.
Halloween bietet auch eine glänzende Gelegenheit für Ladenüberfälle, weil ein Strumpf überm Kopf im Zweifelsfall als Kostüm gilt, das noch allemal sympathischer aussieht als so manch andere Verkleidung. Wer möchte schon Mitmenschen begegnen, die aussehen, als wären sie gerade dem „Texas Chainsaw Massacre“ entkommen und bluttriefende Ohren und Augäpfel in den Händen halten. Oder einer ganz zivil und schwanger aussehenden Frau, aus deren Bauch plötzlich ein schleimtriefendes Monster platzt, das aus der Requisitenkiste des Horror-Science- Fiction-Film „Alien“ entstammen könnte.
Mit einem Problem ganz besonderer Art hat man alle Jahre wieder in Detroit zu kämpfen. Dort wird „Devil's Night“, die Nacht vor Halloween, gefeiert – genauer gesagt: verfeuert. Eine nicht unerhebliche Zahl der Einwohner macht es sich zum Ziel, so oft Feuer zu legen wie nur irgend möglich. Zu Rekordzeiten in den achtziger Jahren verzeichnete die städtische Feuerwehr oft über 300 Brände in der Teufelsnacht. Letztes Jahr brachten es kleine und große Pyromanen auf 140 Feuer. Dieses Jahr hatte die Stadt mehrere tausend Freiwillige aufgeboten, die jede Zigarette austreten sollten. Bei Redaktionsschluß waren die Aschehäufchen noch nicht gezählt. Und was sagten die Götter dazu? They were not amused.
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