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Langweilig -betr.: "Häme und Gelächter", taz vom 20.10.1995

Betr.: „Häme und Gelächter“, 20.10.1995

Sehr geehrte Frau Mertins,

in Ihrem Kommentar werfen Sie mir vor, als Mitglied des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Polizei mit meiner persönlichen Betroffenheit und meinem naiven Glauben an das Gute im Polizisten gelangweilt zu haben. Möglicherweise haben Sie den Hintergrund meiner Fragen nicht verstanden. Es steht völlig außer Frage, daß die Handlungen der beiden Polizeibeamten, die - nach meiner Ansicht außerhalb des Dienstes - Dialle D. verprügelt haben, von jedem Demokraten auf das schärfste zu verurteilen sind. Entscheidend ist doch aber, wie der Rechtsstaat, zu dem ich mich bekenne, mit diesen Übergriffen umgeht. Und hier bin ich eben der Meinung, daß auch für angeklagte Polizeibeamte dieselben rechtsstaatlichen Garantien und Verfahrensgrundsätze im Strafverfahren gelten müssen, wie für jeden anderen Angeklagten (egal ob Drogendealer, Vergewaltiger oder Mörder) auch. (...)

Schließlich muß eine sogenannte „Stammkarriere bei der Staatsanwaltschaft“, die einer der Beamten nach Ihrer Berichterstattung hat, daraufhin hinterfragt werden, was denn hinter diesen Ermittlungsverfahren stand. Dabei spielt es schon eine Rolle, daß nach allen dem PUA vorliegenden Informationen hinter einem erheblichen Teil der gegen Polizeibeamte erstatteten Anzeigen (insbesondere bei „Diebstahl nach Durchsuchung“) die Motivation steht, dem Beamten, der einen dummerweise gerade bei einer Straftat erwischt hat, eins auszuwischen. (...)

Mit der Absage an das Strafrecht als politisches Kampfmittel, das gegen das eigene Feindbild rigoros eingesetzt wird, werden Sie sich auch in Zukunft von mir langweilen lassen müssen.

Mit freundlichem Gruß

Karsten Tietz

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