: Grundsolide zusammenschütteln
■ Seit Oktober sind die ehemaligen Zentralbibliotheken Amerika-Gedenkbibliothek und Stadtbibliothek in einer Stiftung vereinigt. Unklarheit über künftige Aufgabenteilung
Fünf Jahre nach der Wiedervereinigung finden sich die zentralen öffentlichen Bibliotheken der Stadt unter einem Dach zusammen. Seit dem 1.Oktober sind die Zentralbibliotheken Ost und West, die Berliner Stadtbibliothek (BSB) an der Breiten Straße und die Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Halleschen Tor, in einer öffentlich-rechtlichen „Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin“ zusammengefaßt. Sicher an dieser neuen Konstruktion ist nur, daß die Einrichtungen keine direkt dem Kultursenator nachgeordnete Behörde mehr sind. Eine Satzung, ein Haushaltsplan oder ein Stellenplan für die neue Zentralbibliothek existieren dagegen noch nicht.
Und hinter den Kulissen gibt es Tauziehen um die künftige Aufgabenverteilung zwischen den Schwesterinstitutionen. „Synergieeffekte“ lautet das Zauberwort bei der Stiftung: Das Personal soll „zusammengeschüttelt“, die Bibliothekare flexibler eingesetzt werden, das parallele Arbeiten soll abgeschafft werden.
Albert Eckert, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, findet zwar das Konzept der Stiftung „grundsolide“, nicht aber die Vorgehensweise der Verwaltung: Er habe dem Gesetz nicht zugestimmt, weil alle Finanzierungsfragen offengeblieben seien, als der Senat die Stiftung noch vor der Wahl durchziehen wollte.
Auch ein Nebeneffekt stößt auf seine Kritik. Statt wie bisher die Bibliotheken direkt mit insgesamt knapp 25 Millionen Mark im Jahr zu finanzieren, zahlt die Kulturverwaltung künftig eine Pauschalsumme an die Stiftung und kann dann einen Großteil der insgesamt etwa 300 Stellen offiziell als gestrichen melden. „Das hat mit verantwortungsvoller Haushaltsführung nichts mehr zu tun“, so Eckert. Die Idee einer Zentralbibliothek in Form einer Stiftung finden dagegen alle Beteiligten prima.
Für Juliane Funke, Referatsleiterin Bibliothekswesen bei der Kulturverwaltung, ist die Stiftung ein Schritt zu mehr Selbständigkeit der Bibliotheken, ein Stück Verwaltungsreform. „Wir machen die Bibliotheken stärker und schlagkräftiger, sie können selbst Akzente setzen.“
Um die Aufgabenverteilung wird allerdings noch heftig debattiert. „Eine klarere Trennung der Bestände ist sinnvoll“, findet die Direktorin der BSB, Gabriele Beger. Grundsätzlich wird die AGB als Ausleih-, die BSB als Auskunftseinrichtung arbeiten. In der Breiten Straße, wo im Zukunft nebenan im Ribbeck-Haus die gemeinsame Berlinsammlung gelagert wird, sollen hauptsächlich Archive, Kataloge und Präsenzbestände stehen und Besucher wissenschaftlich arbeiten können. Außerdem könnte hier ein Ausbildungszentrum für den Bibliotheksnachwuchs entstehen.
Im Vergleich zur AGB wird die BSB trotzdem ein relativ ruhiges Haus bleiben. Denn die Westbibliothek gleicht einem „Bienenstock“, meint ihr stellvertretender Direktor Peter Borchardt. 3.500 Besucher kamen 1994 pro Tag ins Haus (BSB: knapp 700), in den letzten beiden Jahren haben die Besucherzahlen um 77 Prozent zugenommen. „Es ist laut, die Luft ist schlecht, die Regale sind leer“, klagt Borchardt. „Ständig sind 200.000 Bände ausgeliehen. Das hält das Haus auf Dauer nicht aus.“
Für Juliane Funke dagegen ist es ein positives Zeichen, wenn das Geschäft brummt: „Für eine Bibliothek gibt es doch nichts Besseres als die intensive Nutzung.“ Bernhard Pötter
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