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Biogemüse wird international

Ein neuer Markt für Entwicklungsländer: In Costa Rica fand die erste internationale Messe für Produkte aus biologischem Anbau statt  ■ Von Bettina Lutterbeck

Jedes zweite in Europa verkaufte Bioprodukt geht in Deutschland über die Ladentheke. Die deutschen Biobauern können diesen Bedarf längst nicht mehr selber decken. Im Winter kommen bis zu 92 Prozent der Bio-Frischware aus dem Ausland. Mehr als die Hälfte der nach Europa ausgeführten Bioprodukte aus Übersee stammen aus dem Vertragsanbau, der Rest wird frei gehandelt.

Der bayrische Bio-Großhändler „dennree“ beispielsweise arbeitet schon seit Jahren mit Vertragspartnern aus Australien, der Dominikanischen Republik, Argentinien und Neuseeland zusammen, die Honig, Avocados, Erdbeeren und Kiwis liefern. „Es gibt aber noch zu wenig Anbauflächen in Übersee. Immer wieder kommt es zu Lieferengpässen bei bestimmten Produkten“, berichtet Verkaufsleiter Kurt Krämer. „Vor allem bei Frischprodukten wie Obst und Gemüse ist die Nachfrage weit größer als das Angebot“, bestätigt auch Bernward Geier, Generalsekretär der Internationalen Vereinigung biologischer Landbaubewegungen (IFOAM).

Schuld daran ist nicht der Mangel an ökologisch produzierten Waren, sondern der Mangel an Betrieben, die sich gemäß der EG- Verordnung für Bioprodukte zertifizieren ließen. Und nur Waren, die von einem zertifizierten Betrieb stammen, dürfen auf dem europäischen Markt auch als Bio- Produkte verkauft werden.

Umstritten in der Bioszene ist jedoch, ob ein solches Gütesiegel überhaupt für Frischwaren ausgestellt werden darf, die uns per Flugzeug erreichen. Auch Bernward Geier bezweifelt die Umweltverträglichkeit solcher Transporte. Persönlich möchte der IFOAM- Generalsekretär auf den Genuß von Biotrauben aus Argentinien in Deutschland verzichten. Allerdings wehrt er sich gegen einen Bio-Dogmatismus: „Es gibt eine ganze Reihe von Produkten aus Übersee, die inzwischen zu Kulturgütern geworden sind. Wir müssen nicht päpstlicher als der Papst sein und fortan auf Kaffee, Tee und Bananen verzichten.“ Das Motto „so regional und saisonal wie möglich“ gelte aber weiterhin.

Industrieländer bestimmen den Bio-Standard

Um die Situation für Erzeuger und Einkäufer zu verbessern, fand in Costa Rica die „BIOFAIR '95“ statt, die erste internationale Messe für Nahrungsmittel, Getränke, Kosmetika und Naturheilmittel, deren Rohstoffe aus anerkannt biologischem Anbau stammen.

„Besucher aus Europa müssen nicht kreuz und quer in der Welt herumjetten. um hier zertifizierte Bananen, dort Kakao und dort Zucker zu bekommen“, meint Ulrich Lepel vom Messe- und Handelsförderungsprogramm „protrade“ der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Damit auch junge Unternehmen aus Entwicklungsländern teilnehmen konnten, hat „protrade“ teilweise Standmieten und -bau finanziert. Öko-Standards sind allerdings keineswegs weltweit anerkannt. Die Zertifizierung liegt bisher fast ausschließlich in den Händen der Industrieländer.

Meistens muß eigens ein zugelassener europäischer oder US- amerikanischer Gutachter einflogen werden. Das ist für kleinbäuerliche Produzenten teuer und für die Einkäufer umständlich: Ein deutscher Bio-Großhändler, der auf der Suche nach Bio-Ananas ist, kann die nach dem amerikanischen Verfahren zertifizierten Ananas einer mexikanischen Kooperative in Deutschland nicht als Bio-Ananas verkaufen. Obwohl die internationalen Zertifizierungsverfahren und Standards nach den IFOAM-Richtlinien ausgearbeitet wurden und sich daher sehr ähneln, werden die Garantieaussagen wechselseitig nicht übernommen. Ihre „Harmonisierung“ und die Ausbildung lokaler Zertifizierer würde den „leicht kolonialen Tendenzen in der Qualitätskontrolle“ entgegenwirken, hofft Bernward Geier.

Markt für Bananen von verwilderten Plantagen

„BIOFAIR“ ist die erste Fachmesse von internationaler Bedeutung, die in einem Land der Dritten Welt stattfindet. Die costaricanische Handelskammer erwartet neue Impulse für Produzenten aus Entwicklungsländern, für die sich mit der wachsenden internationalen Nachfrage eine neue Absatznische eröffnet. BIOFAIR, so die costaricanische Handelskammer, soll zu einer interkontinentalen Drehscheibe für Bioprodukte werden.

„Ein Handelszentrum muß aber nicht notwendigerweise ein Produktionszentrum sein, obwohl BIOFAIR natürlich auch die costaricanische Ökoproduktion stärken will“, sagt Handelskammerpräsident Julio Ugarte. Das wichtigste biologisch-organische Handelsprodukt Costa Ricas ist die Banane. Sie hat den Ruf Costa Ricas als „Bananenrepublik“ geprägt, doch die „Bananeras“, wie die Bananengesellschaften in Costa Rica genannt wurden, haben das Zentrum ihrer Aktivitäten inzwischen auf andere Regionen verlagert. Die Stauden sind geblieben. Sie verwilderten im sekundären Regenwald, doch heute erleben sie in Costa Rica ihr Comeback: als Bio- bananen. Rund 760 Produzenten von Biobananen wurden in der Region bereits von europäischen Zertifizierungsinstitutionen erfaßt. „Bisher haben die costaricanischen Bauern von der Hand in den Mund gelebt. Die Zertifizierung bringt den Herstellern den Marktzugang und Absatzmöglichkeiten“, bilanziert Peter Grosch, der weltweit Bioprodukte zertifiziert. Die Umstellung auf Bio lohnt sich: Die meist kleinbäuerlichen Erzeuger erzielen für biologisches Bananenpüree beispielsweise etwas mehr als den doppelten Preis für konventionelle Bananen. Mit der wachsenden Nachfrage nach exotischen Bioprodukten hoffen die Produzenten auf eine Marktnische, die gleichzeitig die Perspektive für eine umwelt- und sozialverträgliche Wirtschaftsweise in sich birgt.

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