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SanssouciNachschlag

■ Die Musikkabarettler Zwei Drittel feiern den „30. Geburtstag“

Vor Jahr und Tag wurde mir der Dunstkreis um den Frühschoppen-„Club der Existentialisten“ als eine Ansammlung spätpubertärer Kollegstüftler mit einem sehr eigenen Charme und Witz vorgestellt. Bekannt sind sie für wortklauberische Akrobatik mit Kreuzberger Szenegeschmäcklerei, die auf allerhand Zeitungslektüre und dezent kritischer Eigenanalyse fußt. Vier aus diesem Dunstkreis, Bov Bjerg, Hans Duschke, Horst Evers und Christoph Jungmann, schrieben nun in basisdemokratischer Gemeinschaftsarbeit ihr erstes Theaterstück. Thema: 30. Geburtstag. Und das, obwohl sie nach meinem Dafürhalten alle jenseits dieser Altersgrenze liegen. Natürlich sind es Kreuzberger, die sich da nach langer Zeit wiedersehen, und natürlich gedenken sie mal mehr, mal weniger euphorisch der alten Zeiten.

Auf die Bühne gebracht wurde das Stück von „Zwei Drittel“, einem gesinnungsverwandten Kreis von Musikkabarettlern. Doch während sie letztes Jahr mit Thomas Pigors Musical „Im Schatten der Hochbahn“ ein vergnügliches Spektakel zur Aufarbeitung neuerer Kreuzberger Geschichte lieferten, versackte diese Bühnenaktion: Der 30. Geburtstag sah aus wie ein Kindergeburtstag, angerichtet von, na, eben ältlichen Kollegstüftlern. Und weil sie genau so aussehen, glaubt man ihnen a) nicht, daß sie jemals einen Strommast auch nur schief angesehen, geschweige denn -gesägt haben; b) langweilt der Dilettantismus, und c) erschlägt einen die Überdosis Moral. Das „Geburtstagskind“ nämlich feiert nicht mit, weil es freiwillig aus dem Leben schied. Selbst- und Fremdanklagen überhäufen sich; rauf und runter wird der Alt-68er-Kriterienkatalog gegen das Bürgerliche im Kreise der Abwesenden zitiert. Und der Vater – ein alter Kämpfer – verdammt alle, läuft Amok und zündelt ein bißchen.

Regisseur Jan Geerd Busse spielt den Haudegen selbst. Ohne Zweifel überzeugt er damit eher als mit seiner Regieleistung. Am Anfang gleich (Halb-)Monologe, mit denen nichts gesagt wird. Umständlich muß die Schwester des Verschiedenen die fingierte Geburtstagseinladung vor geschlossenem Vorhang schreiben. Danach stellen sich die Instrumentalisten der Geburtstagsband mit endlosen Soli vor. Gähn. Keine Rettung, daß die Band ganz schmissig spielt; ohne Bedeutung auch, daß Silvio (Mathias Gebler) grinsen kann wie ein Honigkuchenpferd. Kein Trostpflaster, daß Christoph Jungmann den korrekt-doofen Polizisten aus dem Effeff geben kann. Wenn das so ist mit dem 30. Geburtstag, werde ich lieber gleich 40 und in Würde grau. Petra Brändle

Bis Samstag sowie 14.–18. und 21./22.11., 20 Uhr, Café Theater Schalotte, Behaimstraße 22, Charlottenburg

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