■ Normalzeit: Kundennähe durch Extradienste!
Es gibt keine Institution, die die Leute so wütend macht wie die Post – selbst Hunde macht sie rasend: 3.000 Postboten wurden im vergangenen Jahr gebissen, es entstand dabei ein Schaden von 15 Millionen Mark. Die Dreiteilung der Post hat den Ärger bisher bloß verdreifacht.
1. Die Postbank: Erst schluckte der Automat meine neue Kreditkarte, drei Wochen später bekam ich sie mit der Bemerkung „Sorry, Computerfehler in Köln“ aus Kaiserslautern zurück. Dann teilten mir die Ost-Postämter, wo es draußen noch kaum Geldautomaten gibt, mit: Am kleinen Schalterautomaten kann ich nur Geld einzahlen, nicht abheben, weil mein Name nicht auf der Karte steht, sondern ein anderer – was ziemlich unsinnig ist, weil es darauf ankommt, daß die Kreditkarte gültig ist, das Konto voll und ich meine Geheimzahl weiß. Im Westen wiederum sind ewig die Post-Geldautomaten „außer Betrieb“. In mancher Nacht bin ich schon mit einer regelrechten Meute durch die Bezirke getigert – an jedem Apparat wurde unsere Gruppe größer.
2. Die Briefpost: Nie klingelt die Postbotin bei Einschreiben oder großen Umschlägen, stets schmeißt sie einfach eine „Benachrichtigung“ in den Briefkasten. Dafür riß sie regelmäßig den Namen meiner Freundin ab, nachdem diese sich polizeilich umgemeldet hatte, wir ersetzten ihn ebenso regelmäßig. Erst als ich um die Ecke eine neue Wohnung bezog, wo ein anderer Zusteller tätig war, hörte dieses Blockwartverhalten auf. Dafür schrieb dieser dann später den Namen meiner Freundin an meinen Briefkasten, ich entfernte ihn wieder, er schrieb ihn erneut ran, usw. Derlei Eigenmächtigkeiten sind ja eigentlich noch ganz schön. Zumal viele Briefträger auf die zunehmende Mehrarbeit mit Krankmachen reagieren: Im Wedding taten dies von 140 zeitweilig 70. Die Postdirektion spricht von Sabotage und geht gegen die „Arbeitsverweigerer“ vor.
Zum Verzweifeln ist 3. die Telekom: Wegen des Umzugs um die Ecke – vier Meter Luftlinie – mußte ich einen neuen Telefonanschluß beantragen: Der erste Antrag, am Postschalter abgegeben, landete nie bei der Telekom. Der zweite, im Telekom-Center ausgefüllt, ging dort verloren, der dritte schließlich benötigte sechs Monate, bis er abgearbeitet wurde: Das erledigte dann eine Technikerin in genau 4,2 Minuten, denn ich besaß bereits einen – allerdings stillgelegten – Anschluß in der neuen Wohnung. Und dafür mußte ich dann fast 200 Mark bezahlen. Bis heute bekomme ich keine Telefonbücher, und die Auskunft ist fast immer besetzt. Aber der neue Telekom- Chef verspricht: „Mit dem Information-Super-Highway wird der Osten im 21. Jahrhundert vorne liegen!“
Je mehr dieses Trio infernale „Post“ einen auf modernes Dienstleistungsunternehmen macht, desto mehr geht jede Kundenorientierung vor die Hunde. Wie Hohn wirken da die immer wieder aufs neue angebotenen „Sonder-Service“ – wie zum Beispiel das jetzt zu erwerbende Abonnement, mit dem man einige Jahre lang seinen verlorenen Schlüsselbund „kostenlos“ zurückbekommen kann – vorausgesetzt, jemand schmeißt die Schlüssel, weil sie zuvor von der Post mit einem Anhänger und einer Geheimnummer ausgerüstet wurden, in den Briefkasten. Ein Dumpfservice sondergleichen. Allein die Werbung dafür dürfte in die Hunderttausende gehen, nicht zu reden von den Extrastellen.
Extradienste sind jetzt bei allen vom Privatisierungswahn befallenen Behörden in Mode: Bei der BVG gibt es den Taxi-Anruf- Service ab Haltestelle, das Millionen Mark teure Höflichkeitstraining der U-Bahn-Abfertiger, damit sie ein „Bitte“ hinter ihr „Zurück-bleiben“ sagen – einer hat sich bereits geweigert und wurde entlassen („Wir mußten ein Exempel statuieren“). Ferner sind S-Bahn-Wagen mit Speisen und Getränken sowie mit offenem Dach geplant. Ein junger Bankangestellter, jetzt „Banker“ genannt, fuhr neulich, da sein Mercedes in Reparatur war, mit der Linie 2 und war derart begeistert, daß er allen Ernstes meinte: „Ich versteh' gar nicht, warum die Leute immer über die 3,70 Mark schimpfen, ich würde auch 4 Mark für so ein Vergnügen zahlen.“ Helmut Höge
wird fortgesetzt
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