: Junge Rebellen wollen den Enkeln einheizen
■ Benjamin Mikfeld (23), Vorsitzender der Jusos im Bezirk Westliches Westfalen, ist jüngster Kandidat für den SPD-Parteivorstand. Die Alten haben abgewirtschaftet, sagt er
Heute beginnt in Mannheim der SPD-Parteitag. Unter anderem sollen die GenossInnen darüber entscheiden, wie viele StellvertreterInnen der Vorsitzende Rudolf Scharping haben darf. Vier oder fünf? Auf alle Fälle soll der Parteivorstand verjüngt werden. Derzeit liegt das Durchschnittsalter in dem Gremium bei gut über 50 Jahre. Dabei waren 128.041 der 849.374 GenossInnen im Dezember 1994 jünger als 36. Und 224.195 älter als 60.
taz: Vor kurzem war die SPD noch ein „langweiliger Haufen“ für Sie. Warum sind Sie noch dabei?
Benjamin Mikfeld: Ich will einiges verändern in dieser Gesellschaft. Deswegen bin mit 16 Jahren bei der SPD gelandet, weil es immer noch so ist, daß linke Politik darauf angewiesen ist, von der SPD durchgesetzt zu werden.
Warum sind Sie nicht bei den Grünen?
Für mich ist Sozialismus immer noch ein gesellschaftlicher Leitbegriff. Ich schätze die Bedeutung der Erwerbsarbeit ebenso wie sozialstaatliche Fragen anders als die Grünen ein.
Mit sozialistischen Parolen dürfte sich die Attraktivität der SPD beim Wahlvolk kaum steigern lassen.
Für abstrakte Systemalternativen werden sich sicherlich keine gesellschaftlichen Mehrheiten finden lassen. Aber man kann für eine Politik des sozial-ökologischen Umbaus gewiß große Potentiale in der Gesellschaft mobilisieren. Das ist nicht nur eine Frage, die sich der SPD stellt, sondern hier sind Parteien wie die Grünen und die PDS ebenso gefordert wie außerparlamentarische Kräfte.
Kooperation haben die Jusos mit ihren chaotischen Streitereien auf ihren Bundeskongressen nicht signalisiert.
Es stimmt, dort gab es in der Vergangenheit höchst irrationale Abläufe. Doch wir arbeiten daran, das abzustellen.
Solange sich Trotzkisten, Stamokaps, undogmatische Sozialisten und konservative Junggenossen in bester Sektierermanier bekämpfen, bleiben die Jusos innerhalb der SPD in der Isolation.
Den Jusos vor Ort tut man Unrecht. Die machen oft eine klasse Arbeit. Die Medien nehmen das leider nicht wahr. Wir haben unsere Forderung nach einer Umlagefinanzierung der Berufsausbildung – Betriebe, die nicht ausbilden, sollen zahlen – innerhalb der SPD flächendeckend durchgesetzt. Unabhängig von irgendwelchen Fraktionsauseinandersetzungen. Sozialismus heißt nicht, den Sieg in absurden Antragsdebatten zu erringen, sondern die Menschen für eine neue Politik zu gewinnen. Wir wollen das auch im Bündnis mit anderen Kräften. Wir trauen den Enkeln in der Partei, ganz gleich ob sich sich links oder rechts einordnen, nicht mehr sehr viel zu. Die haben versagt. Die haben es nicht geschafft, eine andere Politik zu initiieren, und deshalb nehmen wir das Heft jetzt selber in die Hand.
Wieso wollen Sie überhaupt in den Parteivorstand? Vor ein paar Wochen ist die ehemalige Juso- Vizechefin Ruth Winkler da herausgegangen, weil sie in dem Gremium ohnehin nichts bewirken könne.
Winkler ist ja nun schon 41 Jahre, und damit steht sie nicht mehr für die jüngere Generation. Wir werden jetzt in der SPD die Generationsfrage stellen, denn der Generationswechsel ist überfällig. Wir wollen dabei nicht die Staffage für eine Alibiverjüngung abgeben, sondern bei den Machtfragen mitentscheiden und Verantwortung übernehmen.
Wie stehen Sie zur PDS? Wie soll sich die SPD in Berlin verhalten? Große Koalition oder Zusammenarbeit mit der PDS?
Ich kann der Berliner SPD nur von einer Großen Koalition abraten. Dadurch würde ihr Profil noch weiter beschädigt. Ich hielte eine Regierung mit den Grünen bei Tolerierung durch die PDS für richtig und sinnvoll. Ich glaube, daß die SPD zusätzlich an Ansehen verliert, wenn sie weiter mit den Konservativen koaliert und die Mehrheit der reformpolitischen Kräfte ignoriert.
Sie zählen die PDS zur reformpolitischen Mehrheit?
Ja, mit Abstrichen. Mittelfristig muß die SPD über Bündnisse mit der PDS nachdenken, die sogar bis hin zu Koalitionen gehen sollten. Interview: Walter Jakobs
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