Keine Spur von Beatlemania

■ Am ersten Verkaufstag der neuen Beatles-CD stauten sich nur die Journalisten, nicht die Kunden. Für treue Beatles-Fans spielt die Qualität keine Rolle

Sosehr sich die Medien in den letzten Tagen und Wochen auch mühten: Von der vielbeschworenen „Beatlemania 2“ war gestern wenig zu spüren. Während die Fans in London schon um Mitternacht die vorzeitig geöffneten Plattenläden stürmten, um die neue Doppel-CD der Beatles, „Anthology I“, zu ergattern, standen in den Läden am Alex gestern vor allem die Journalisten auf der Suche nach Fans vor leeren Verkaufsständen Schlange. Der Grund: Die CDs waren im Eis steckengeblieben und trafen erst gegen 11.30 Uhr in den Geschäften ein.

Mit der „Anthology“ kamen dann auch die Kunden. In der Mehrzahl Männer zwischen Vierzig und Fünfzig. Die meisten waren im Ostteil der Stadt wohnende Arbeiter und alte Beatlesfans. Große Erwartungen an das neue Album hatten sie eigentlich nicht. „Es gehört zur Vollständigkeit“, sagte ein Heizungsmonteur, der in der DDR die Songs der Beatles aus dem Radio auf seinem „alten Spulentonband“ mitgeschnitten hatte.

Zwei Gas- und Wasserinstallateure, die im Blaumann mit Zollstock in der Gesäßtasche angeschlendert kamen, waren prompt von Reportern umzingelt. Der eine hatte einige Stücke der neuen CD schon im Rundfunk gehört und wollte sich eigentlich nur mal den Klappentext angucken. „Also, wenn ick ganz ehrlich bin, is die Qualität ziemlicher Müll“, befand er und drehte das 44,99 Mark teure Stück in seinen Händen. „Ick werd damit wohl noch ein bißchen warten.“ Gegen ein Foto für die BZ hatte er jedoch nichts einzuwenden. Als er die Arme um den CD- Stapel legte und breit in die Kamera grinste, stöhnte sein Arbeitskollege entnervt: „Wenn det unser Chef sieht, freut der sich.“

Auch wenn die Kunden nicht gerade Schlange standen, ging die CD trotzdem sehr gut weg. „Saturn“ am Alexanderplatz hatte am frühen Nachmittag bereits 200 Stück verkauft. Nachdem die ersten Songs des Albums aus den Lautsprecherboxen des Ladens gerieselt waren, stand für Teile der Belegschaft das Urteil ziemlich fest: „Zu langsam“ und „garagenmäßiges Geschrammele“. Auch „City Musik“ gegenüber erfreute sich einer sehr guten Nachfrage. Auch hier war der Verkäufer an der Kasse von dem neuen-alten Machwerk der Beatles nicht gerade begeistert: „Die Klangqualität ist teilweise so wie 1920.“

Den wahren Fan stört das nicht. Für ihn leben die Beatles ewig, zumal der tote John Lennon auf der neuen CD mitsingt. Der Wunschtraum eines 44jährigen Physikers: „Vielleicht machen die Kinder der Beatles weiter, wenn die Alten alle unter der Erde sind.“ Plutionia Plarre

siehe auch Portrait Seite 11