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■ Europa und das MittelmeerDer Lockruf des Geldes

Kann Freihandel zur Stabilität rund ums Mittelmeer beitragen? Selbst die Europäische Kommission in Brüssel räumt ein, daß der Abbau der Zollschranken zwischen der EU und den meisten Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens deren Handelsdefizit vergrößern wird. Gegen die Wirtschaftsmacht der Industrieländer haben sie kaum eine Chance.

In Barcelona hat der israelische Außenminister Ehud Baruk vorgeführt, daß die bloße Frage nach den Vor- und Nachteilen des Freihandels zu kurz greift. Seine dramatische Aufforderung an den syrischen Außenminister, endlich Frieden zu machen, hat gezeigt, welche Dynamik solche Verhandlungen entwickeln können. Der Syrer war gezwungen, vor aller Welt, vor laufenden Kameras, vor 27 Außenministern zu sagen, was er noch nie in Gegenwart eines Israeli gesagt hat: Daß Syrien zum vollen Frieden bereit ist, wenn sich Israel von den Golan-Höhen und aus dem Südlibanon zurückzieht.

Sicher, das war nur ein zaghafter Anfang, aber er war so noch nie gemacht worden. Die syrische Regierung hat in den letzten Monaten alle internationalen Konferenzen abgesagt, an denen ein israelischer Regierungsvertreter mit am Tisch sitzen sollte. Aber sie hat ihren Außenminister nach Barcelona geschickt, weil ihr die wirtschaftlichen Beziehungen zur Europäischen Union offensichtlich wichtiger sind, als alles andere. Es muß also etwas dran sein an der EU, daß sich alle Mittelmeeranrainer darum reißen, ein Papier zu unterschreiben, das für jeden von ihnen zwei oder drei Kröten enthält. Manche haben lange gezögert, bevor sie unterschrieben haben, eine pluralistische Demokratie anzustreben.

Die Europäische Union will, aus Angst vor dem islamischen Fundamentalismus und vor weiteren Flüchtlingen, zur Stabilität in der Mittelmeer-Region beitragen. Sie bietet Finanzhilfen und Zugang zum Europäischen Binnenmarkt. Etwas anderes hat sie auch nicht anzubieten. Im Gegenzug erwartet sie politische Zusammenarbeit. Es spricht für die Ernsthaftigkeit des Bemühens um Stabilität, daß die Verbesserung der Beziehungen der nordafrikanischen Länder und des Nahen Ostens untereinander einen wichtigen Teil des Mittelmeerabkommens ausmacht.

Aber Barcelona war nur die Kür. Die Pflicht, das sind die konkreten Verträge zwischen der EU und den einzelnen Ländern in den nächsten Monaten. Wenn es um die Einfuhrmengen von Schnittblumen und Frühkartoffeln geht, muß die EU zeigen, wieviel ihr die Stabilität am Mittelmeer wert ist. Alois Berger

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