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VereinsmeierInnen

■ Telefonbuch, Teil II: Verbindende Verbände und vereinende Vereine

Als Bettlektüre zeitigt das Berliner Telefonbuch eine ungemein beruhigende Wirkung. Besonders zu empfehlen ist der Band I–Q. 14 Seiten lang „Maier“, „Meier“ und „Meyer“: Das läßt einen unwiderstehlich sanften Rhythmus entstehen. Noch schöner, noch monotoner schwingen auf 30 Seiten all die „Müller“ und „Mueller“ der Hauptstadt. Auch der Band R–Z hat seine besonderen Reize: 28 Seiten „Schmidt“ und 11 Seiten „Schneider“, dazwischen „Schnurpel“, „Schnöckel“, „Schnüll“ oder „Schnörpel“, „Schnutenhaus“ und „Schenkelberg“.

Im Band R–Z finden wir auch die VereinsmeierInnen. Es wimmelt von verbindenden Verbänden und Verbunden, von vereinenden Vereinen und Vereinigungen. „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie“. Das macht doch was her, wär' ja auch schlimm, wenn Zehntausende von alleinerziehenden leitenden Chemikern abends weinend vor Einsamkeit den Ku'damm entlangschlichen. Noch dramatischer ist die Sache beim „Verband der Beschäftigten der oberen und obersten Bundesbehörden e.V. im Deutschen Beamtenbund“ zu sehen. So viele durchs Stadtbild wankende Beamte tun einer Metropole gar nicht gut.

Die Prophylaxe- und Therapiefunktion der Vereine und Verbände ist von unschätzbarem Wert. Heimatvertriebene und innerdeutsche Flüchtlinge haben in ihrer Nestwärme eine zweite Heimat gefunden, was schon an den Namen ablesbar ist: „Verein der Badener in Berlin“, „Verein der Bayern in Berlin“, „Verein der Pfälzer in Berlin“, „Verein zur Förderung der ostdeutschen Mitglieder des Deutschen Blindenverbandes“, „Verein für Berlin-Brandenburgische Stadtbahngeschichte“, „Verein der Zierfischfreunde“. Von innen erwärmt schließen wir die Augen und beginnen zu träumen. Wie schön ist doch eine Welt, die für alles einen Verein hat. Wenn etwas in unserem Leben schiefgeht, dann werden wir halt Vorstandsmitglied im „Verein Humane Trennung und Scheidung“ oder Kassenwart im „Verein Enddefekt“. Ute Scheub

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