piwik no script img

Kleinod unterm Bagger

■ Bauressort plant 1.200 Häuser in Borgfeld, trotz massivem Protest der Bevölkerung

Am Rande Bremens liegt eins der letzten Kleinode dieser Stadt: Borgfeld. Inmitten von Wiesen, am Ufer der Wümme, hat sich der Stadtteil seinen Dorfcharakter bewahrt. Zwölf Landwirte haben die EU-Normen überlebt und bewirtschaften noch immer ihre Höfe. Vor Jahrzehnten bereits schätzten wohlhabende BremerInnen den beschaulichen Flecken am Rande der Großstadt: Um den Ort herum bauten sie ansehnliche Einfamilienhäuser mit großzügigen Gärten.

Jahrelang kümmerte sich das Bauressort nicht um Borgfeld. Jetzt plant Bausenator Bernt Schulte, dort 93 Hektar Wald und Wiesen zu bebauen. Insgesamt 1.200 neue Wohneinheiten sollen im Osten und Westen des rund 4.000 EinwohnerInnen zählenden Ortes entstehen.„Es ist ja auch wunderschön da“, sagt ein Sprecher des Bauressorts. Obendrein ließen sich die Grundstücke bestens vermarkten. Im Ortsamt Borgfeld schätzt man, daß die Stadt nicht mehr als 70 Mark für den Quadratmeter zahlen wird. Verkauft sie dieselben Grundstücke an Bauträger weiter, kann sie zur Zeit bis zu 300 Mark für den erschlossenen Quadratmeter erzielen.

Noch sind die Gebiete nicht in den Bebauungsplan aufgenommen. Und wenn es nach den BorgfelderInnen geht, kommen die im Westen gelegenen Gebiete da auch nie rein. Zwei außerordentliche Sitzungen hat der Beirat Borgfeld zu dem Thema abgehalten– einmal stellte sich Senator Schulte persönlich den aufgebrachten BürgerInnen. Ihn konnte kein Argument umstimmen. Gegen das geplante Bebauungsgebiet im Osten haben die Borgfelder Bauern und BürgerInnen nichts einzuwenden. Dort plant Schulte 200 Doppelhäuser. Die statistisch dort einziehenden 900 Menschen könne der kleine Ort verkraften, das sehen selbst die NachbarInnen in spe ein. Im Westen jedoch wollen sie nicht noch einmal 800 Neubauten hinzubekommen.

Vor allem die zwölf Landwirte protestieren, denn 53 Prozent ihrer Anbaufläche liegt auf diesem Gebiet. „Wenn da gebaut wird, bleiben nur fünf Landwirte übrig“, sagt Günter Bauer vom Ortsamt. Die anderen müßten ihren Hof schließen. Auch gebe es keine Ausgleichsflächen in unmittelbarer Nähe, da ringsum die meisten Flächen unter Natur- oder und Landschaftsschutz stehen. „Wenn Existenzen vernichtet werden, müssen wir entsprechende Entschädigungen zahlen“, sagt ein Sprecher des Bauressorts. Sollten die jedoch nicht freiwillig gehen, werde enteignet. Das kann auch den Menschen drohen, die in ehemaligen Kaisen-Häusern leben - die würden umgesiedelt.

Zunächst müssen die gut 90 Hektar jedoch als Entwicklungsgebiet ausgewiesen werden. Die Krücke verdanken die Westdeutschen der deutschen Wiedervereinigung. Da in den neuen Bundesländern viele Besitzrechte nicht einwandfrei und schnell gelöst werden konnten, beschloß die Bonner Regierung ein neues Baugesetzbuch. Als schnelle Lösung für Probelmfälle schuf es das „Entwicklungsgebiet“: Wenn einem Gelände erstmal dieses Etikett anhängt, besteht laut Gesetz ein „öffentlicher Gemeinbedarf“.

In Schultes favorisiertem Gelände liegen außerdem ein Sportplatz und der Polizeihund-Sportplatz. Der Sportverein soll einem Parkplatz mit 360 Stellflächen weichen. Ist der CDU-Senator auch sonst gegen die Straßenbahn-Linie 4, plant er in Borgfeld schon mal ein Park & Ride-System für PendlerInnen, die mit der imaginären Bahn von dort in die Stadt fahren können. ufo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen