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■ Kuratorkiller: Preiswerte U-Kunst, Comics und Male-Strip-Show von Jim Avignon und Freunden

Jim Avignon ist dafür bekannt, daß er Museen und etablierte Galeriebetriebe scheut wie ein Grottenolm das Tageslicht. Dennoch hat er vor kurzem alle seine Künstlerfreunde zusammengetrommelt und für einige Wochen selbst so etwas wie eine Galerie eröffnet. Mit einem Galeriebetrieb im üblichen Sinne hat das natürlich wenig gemein. „U-Kunst – Kuratorkiller“ nennt sich der Laden an der Oranienburger Straße, wobei das „U“ wahlweise für Unterhaltung oder auch Underground stehen kann. Der Zusatz „Kuratorkiller“ soll einfach nur ärgern. O-Ton Jim Avignon: „Kuratoren sind scheiße, das weiß man ja.“ Bis Weihnachten soll hier sogenannte „Billigkunst“ ausgestellt und verkauft werden, von deren Erlös 20 Prozent der Obdachlosenhilfe zufließen wird. Und erschwinglich ist die Ware hier wirklich: Die Preise für die Objekte liegen zwischen 10 und 200 Mark.

Das Interieur des Ladens erweckt nicht zuletzt durch diverse Lichtspielereien, wie die in vorweihnachtlich gestimmten Berliner Haushalten so beliebten computergesteuerten Christsterne, den Eindruck, wir befänden uns auf einem Weihnachtsmarkt in Raumnot. Andererseits kommt die Ästhetik des Ladens der Einrichtungskultur eines Trödelmarkts recht nahe. Von allen Wänden und der Decke baumeln die kuriosesten Kunstgegenstände herab, deren Plazierung sehr wahrscheinlich von einer Art Zufallsgenerator geregelt wurde.

Ein liebevoll umhäkelter Staubsauger hängt beispielsweise überaus dekorativ inmitten zahlreicher besprühter Vinylplatten und schwer definierbarer Kuschelplüschteilchen. Mehrere Dutzend Kunstschaffende, darunter diverse Clubdekorateure, etablierte KünstlerInnen und last but not least die Comic-Crew aus dem „Groben Unfug“ halfen Jim Avignon dabei, seinen Laden bis unter die Decke mit ihren Werken vollzustopfen. Bis Weihnachten wird sich die Zahl der Beteiligten wohl noch erhöhen, denn der fliegende Wechsel der Objekte muß natürlich gewährleistet sein. Wird ein Teil verkauft, nimmt ein anderes sofort seinen Platz ein.

Damit die Bude auch am Samstagabend nicht menschenleer bleibt, bietet der Kuratorkiller heute eine ganz besondere Attraktion: die empfehlenswerte Ausstellung des Computerspiels „Male-Strip-Show“, das von Mina Hagedorn und Antenne Springborn konzipiert wurde, und zwar auf der Grundlage von Jim Avignons Memory-Bildern, die hier mindestens das Tanzen lernen. An sechs Terminals darf zu jeweils zwei Personen an einem Spiel herumgedaddelt werden, was auch für Leute, die ansonsten für Vergnügen dieser Art nicht unbedingt zu haben sind, ein Genuß für Augen und Ohren sein dürfte. Kirsten Niemann

„U-Kunst Kuratorkiller“, Oranienburger Straße 77, Mitte. Geöffnet täglich von 14-21 Uhr. Computer-Game-Ausstellung „Male-Strip-Show“, heute ab 21 Uhr.

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