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Mieter als Eigentümer: Nein danke!

■ Weil die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) 650 Wohnungen schnell an einen Zwischenerwerber losschlagen möchte, werden die Mieter bei der Privatisierung mit hohen Preisforderungen abgeschreckt

Für rund 650 Mieter im Bezirk Mitte kommt wohl der Weihnachtsmann mit der Rute. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), Eigentümerin von Wohnblocks in der Holzmarktstraße, Invalidenstraße und der Almstadtstraße, will noch im Dezember die Wohnräume privatisieren. Neue Eigentümer sollen aber nicht die Mieter selbst werden. Vielmehr ist geplant, die Wohnungen an kommerzielle Zwischenerwerber abzusetzen, wie Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, gestern sagte. Nach dem Altschuldenhilfegesetz sind die östlichen Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet, in den kommenden Jahren 15 Prozent ihrer Wohnungsbestände zu privatisieren. Die Baugesellschaften selbst oder die Zwischenerwerber – die jetzt als Käufer gesucht werden, weil die Baugesellschaften bis 1995 noch 30 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Verkauf an den Bund abführen müssen (1996 sind es 40 Prozent) – sollen den Verkauf nach „mieterfreundichen Angeboten“ organisieren.

Ziemer kritisierte, daß es die WBM in der Holzmarktstraße 69, 73 und 75 sowie in der Almstadtstraße 14 jedoch darauf anlege, die Wohnungen „an den Mietern vorbei“ schnell loszuschlagen. In der Holzmarktstraße, wo Mieter konkretes Kaufinteresse gezeigt hätten, und in der Almstadtstraße, deren Bewohner das ganze Haus kaufen wollen, seien die Gespräche von der WBM ergebnislos abgebrochen worden. Ziemer: „Die Baugesellschaft hat überhaupt keine Interesse, an die Mieter zu verkaufen, und steuert das Zwischenerwerbermodell an.“

Jürgen Rathenow, Mieter in der Almstadtstraße 14, erklärte, die WBM und die für die Privatisierung beauftragte CT-Projektgesellschaft hätten mit einem „völlig überhöhten Kaufpreis von 2.460 Mark pro Quadratmeter“ versucht, die Mieter abzuschrecken. Es seien weder Gespräche über den Verkehrswert geführt, noch sei über Baugutachten oder Sanierungsmaßnahmen informiert worden. Die Mieter haben – nach einer vergleichbaren Privatisierung bei einem Objekt in Marzahn – 755 Mark pro Quadratmeter geboten. Die Sanierung wollen sie selbst durchführen. Rathenow: „Man hat uns abgewiesen.“ Dies verstoße gegen das Altschuldenhilfegesetz.

Uwe Löwe, CT-Projektleiter, wies die Vorwürfe zurück. Für den „durchaus nicht geringen“ Preis sei die WBM zuständig. Es seien aber von der CT in der Almstadtstraße Mietergespräche und eine Finanzierungsberatung „inklusive der Sanierungsmaßnahmen“ durchgeführt worden. Die Mietervorschläge seien „untauglich“ gewesen. Löwe wies aber darauf hin, daß die Almstadtstraße 14 „nicht für den Verkauf an einen Zwischenerwerber vorgesehen“ sei. Bei der WBM war am Freitag die Geschäftsführung nicht zu erreichen. rola

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