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Der große Bassiljew

Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält (XI): Die Endlosserie „Basler greift ein“  ■ Von Albert Hefele

Wenn Mario Basler schmollt, ähnelt er einem dieser bleichen Stummfilmstars. Sie wissen, was ich meine? Die wie mit dem Lineal gezogenen Brauen über der düster verschatteten und geschminkt wirkenden Augenpartie, der lauernde Blick aus den Augenwinkeln. Spitz und schmal das Mündchen unter der Idee eines Menjoubärtchens. Mario. Sogar der Vorname paßt. An Basler wäre noch zu arbeiten. Bassiljew vielleicht, und da kommt auch schon Paola Negri ums Eck.

Marshall Mario

Sicher ist: Auch Herr Basler hat das Zeug zum dramatischen Helden. Und er hat Großes vor. Denn seit einigen Wochen läßt er keinen Auftritt aus, sei das Stück auch noch so albern. Das fing an mit dem gesellschaftskritischen Kurzdrama: „Wer mich ohne meine Erlaubnis filmt, verletzt meine Persönlichkeitsrechte.“ Ein karrieregeiler Kameramann filmt eine bekannte Persönlichkeit und verletzt deren Rechte. Die läßt sich das aber nicht gefallen und tut wild in die Linse. Nächstes Engagement und großes Solo in: „Marshall Mario greift ein!“ In dem herzergreifenden Vierpersonenstück kommen außer Bassiljew noch sein zwar rauher, aber herzensguter Freund Uli, der junge Wück, und Winnie „Das Schwein“ Schäfer vor. Es geht um Frauen, Körperverletzung und Männerfreundschaft. Daneben findet Mario tatsächlich noch die Zeit, um Fußball zu spielen, und das meistens gar nicht so schlecht. Wie aufgezogen schnurrt er über den Platz und hämmert die Freistöße aus allen Lagen dermaßen ins Netz, daß man auf die Idee kommen kann, da geht was nicht mehr mit rechten Dingen zu. Seele verkaufen und so. Sein Trainer jedenfalls sagt, so gut wie er könne das keiner. Die Fußballwelt horcht auf. Große und bedeutende Vereine aus dem Ausland fragen an. Zumindest behauptet Basler das und bittet flugs zum ersten Akt der mehrteiligen Mafiaserie: „Alle wollen Mario.“ Vierzehn Millionen Ablöse stehen im Raum und die Koffer sind gepackt. Da spinnt ein perfider Manager seine Fäden und zerstört Marios Lebenstraum.

Bonvivant in Shorts

Es ist der rote Lemke aus Bremen: „Er kann wohl nicht ruhig schlafen, wenn er mal nicht in der Zeitung steht“, sagt unser Hauptdarsteller, meint Lemke und weiß doch, wovon er spricht. Denn von nun an vergeht kein Tag, an dem die Presse nicht über Basler zu berichten wüßte. In Bremen jagen sich die Krisensitzungen, und Basler ändert seine Meinung schneller, als man von „hattrick“ nach „ran“ zappen kann. Einerseits will er seinem Verein die Leviten lesen, weil ihn der Trainer auswechselt, andererseits wirft er sich ins Büßerhemd („Ich habe viele Fehler gemacht“). Was denn nun? Weiß dieser Mensch noch, was er tut?

Wenn man nicht einfach davon ausgehen will, daß Mario Basler nicht alle auf der Latte hat, sollte man schon nach Gründen fragen. Haben ihn die privaten Turbulenzen aus der Bahn getragen? Augenringe können eine deutliche Sprache sprechen. Alkohol und lose Damen. Nächtelanges Bongospielen. Schließlich hat unser Ballzauberer bereits zu solideren Zeiten geraucht! Ein Bonvivant in kurzen Hosen. Opfer der Rollenkonfusion – Schönheitstänzer oder Rekordnationalspieler. Oder: bis zum Hals Weltklasse und darüber Kreisklasse? Wer hat das gleich von Mario Basler behauptet? Das alte, leidige Thema: Müssen große Fußballer auch noch was in der Birne haben?

Vergnügen für Raufbolde

Wie wir wissen, galt das Spiel in seinen Anfängen als tumbes Vergnügen für Raufbolde und schwerfällige Kretins. Noch jemand ohne geborstenes Schienbein? Also alle Fußballer, und mit ihnen Mario Basler, schlicht und einfach blöde? Keine Ahnung. Es gibt ebensoviele griffige Beispiele für dieses Argument wie dagegen. Sicher gilt: Um den strammen Spannstoß praktizieren zu können, ist ein mehrjähriges Studium nicht Voraussetzung. Kein Vorwurf, nur eine Feststellung. Andererseits gibt es Akademiker, die bis heute nicht kapiert haben, was „Abseits“ ist, geschweige denn eine Raumdeckung spielen können. Mario Basler kann dies alles. Den Ball kontrollieren, die Mitspieler einsetzen, die Räume nutzen. Ein hochkomplexer Prozeß, der eine funktionierende Wahrnehmung, Kombinationsgabe, die Fähigkeit, innerhalb der Gegebenheiten rasch und zielsicher zu reagieren, voraussetzt. Alles Eigenschaften, die unter dem Begriff „Intelligenz“ subsumiert werden. Alle guten Fußballer und mit ihnen Basler Intelligenzbolzen? Natürlich nicht, man könnte Namen nennen.

Ein Mensch, ein Wesen?

Und nun? Was gibt's zu lernen? Offenbar ist der Mensch ein mehrschichtiges Wesen. Kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Mario Basler wird also aller Voraussicht nach weiterhin düster blickend seltsam um sich sprechen, während er andererseits die Freistöße in den Winkel wuchtet, daß einem die Tränen kommen vor Begeisterung. Der große Bassiljew. Hie völlig daneben und zum Prügeln bescheuert, da geradlinig, energisch, ästhetisch, brillant. Alles unter einem Dach.

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