: Drei Abschiebehäftlinge teilen sich einen Teller
■ „Mangelnde Organisation“ in der Ostertorwache /Polizeichef Lüken gelobt Besserung
Was die Asylgruppe Ostertor bei einer Pressekonferenz am Donnerstag auftischte, hörte sich unglaublich an: Aus einer einzigen Plastikschüssel müßten in manchen Zellen der Ostertorwache drei Abschiebehäftlinge gemeinsam das Mittagessen gabeln – weil sie keine Teller bekämen. „So darf man Menschen nicht behandeln, das ist keine Lappalie“, lautete der Vorwurf an den Polizeigewahrsam.
Ein Anschauungsobjekt stand auf dem Tisch. Eine kleine rote Plastikschüssel voller Kartoffeln, obenauf Soße und Fleisch. Das sei die Regel: das Essen für drei Personen werde vermischt und nur in einer Schüssel gebracht. Unter den anwesenden JournalistInnen brach Ekel aus – und zugleich Skepsis. Das Wort von der Steinzeit machte die Runde. Auch Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill hielt sich zurück: „Das ist unerträglich – wenn es stimmt“, betonte sie. Wenn!
Allerdings gab es weitere Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Behauptung. Drei eidesstattliche Erklärungen von Inhaftierten verschiedener Nationalität bestätigten den Sachverhalt. „Sie leben in unterschiedlichen Zellen“, sagte die Asylgruppe, die seit eineinhalb Jahren im Einvernehmen mit den Behörden Abschiebehäftlinge betreut. „Damit nimmt die Gruppe uns Pflichtaufgaben ab“, so Dagmar Lill.
Die Gruppe selbst bestätigt, daß sich seit ihrer massiven Kritik im Sommer manches im Polizeigewahrsam gebessert habe. Trotzdem wandte sie sich am Donnerstag direkt an die Presse – statt an den Leiter des Polizeigewahrsams. „Wir hören von Häftlingen oft dieselben Klagen. Zum Beispiel auch, daß sie nicht täglich duschen dürften. Aber wenn wir mit der Polizei sprechen, heißt es meist, daß das nicht stimmt.“ Da bleibe nur der Weg an die Öffentlichkeit. Wegen des Essens knistere es förmlich im Knast.
Die Polizeipressestelle wies die Vorwürfe der Gruppe postwendend zurück: Jeder der insgesamt elf Abschiebehäftlinge bekomme bei seiner Inhaftierung ein komplettes Eßgeschirr ausgehändigt – und das werde auf Nachfrage auch ersetzt. „Selbst wenn manche ihren Teller wegwerfen.“
Erst ein Besuch der Ausländerbeauftragten in der Ostertorwache relativierte das alles-paletti-Bild. „Ich habe mit den Inhaftierten gesprochen. Tatsächlich hat nicht jeder einen Teller. Alle Insassen haben mir bestätigt, daß das Essen nur in einem Topf serviert wird“, bestätigt Dagmar Lill. „Ich meine, daß auch die Mitarbeiter im Gewahrsam, die meinen Zellenbesuch begleitet haben, von der wirklichen Situation betroffen waren.“ Die Diagnose der Ausländerbeauftragten lautet: „mangelnde Organisation“ als Ergebnis von Frust und Gleichgültigkeit. Daß die Duschhandtücher lediglich dünne Geschirrhandtücher seien, die „nicht einmal die Lenden bedecken“, müsse dringend geändert werden. Ebenso, daß die Gefangenen nur Hibiskustee bekommen, „den Ausländer sowieso nur selten trinken“. Vom Kaffee ganz zu schweigen: „Da sagen mir sogar die Mitarbeiter im Gewahrsam, der sei ungenießbar. Deshalb wurde er abbestellt.“
Umbestellt wurde die Essensausgabe – und zwar sofort. Die Qualität wird sich nicht ändern, die JVA Oslebshausen bereitet es zu. Bereits Donnerstag Mittag bekam jeder Inhaftierte seinen eigenen Teller serviert. Außerdem will Polizeipräsident Lüken prüfen lassen, wie die übrigen Mängelpunkte der Ausländerbeauftragten zu beheben sind: „Ich gehe vom guten Willen aller aus.“
ede
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