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„Verarscht von der ganzen Politik“

■ Koalitionsausschuß beschließt klammheimlich: BEB werden an die Stadtwerke verkauft

Welch häßliche Reaktionen doch auf einen gemütlichen Sonntagskaffee folgen können. Am Sonntag hatte erstmals der Koalitionsausschuß von CDU und SPD getagt, und die VertreterInnen von Partei- und Fraktionsvorständen hatten beschlossen, die Bremer Entsorgungsbetriebe unter die Fittiche der Stadtwerke zu stecken. Der Erlös soll in den Stadtreparaturfonds fließen. Ein Beschluß vorbei am Senat, den Regierungsfraktionen und den betroffenen Unternehmen. Sowohl bei den BEB, bei den Stadtwerken, und vor allem im zuständigen Umweltressort sind die Verantwortlichen aus allen Wolken gefallen. Die Stimmung gegenüber der Regierungscombo ist auf dem Nullpunkt. Und es gibt erste Stimmen, die den Plänen völlige Freiheit von Sachverstand bescheinigen: Nach einem Urteil des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichtes geht aus rein juristischen Gründen gar nicht, was sich der Koalitionsausschuß ausgedacht hat.

Besonders schlecht ist die Stimmung bei den BEB und Umweltsenatorin Tine Wischer. Kein Wunder: Noch am Freitag war die Senatorin bei einer Betriebsversammlung der BEB aufgetreten und hatte dort die Senatslinie vertreten. Der Betrieb könne sich nicht vollständig gegen Privatisierungspläne sperren, hatte sie gesagt. Alle Fragen der ökonomischen Zukunft der BEB würden seit Oktober von einem Fachgremium abgearbeitet. Das hatte der Senat eingesetzt, nachdem Henning Scherf mit dem Verkauf gedroht und sich den nötigen Müllgebühren-Erhöhungen verweigert hatte. Seitdem sitzen regelmäßig VertreterInnen der Umweltbehörde, des Finanzressorts, der BEB und eines Unternehmensberaters beisammen. „Die liegen genau im Plan“, sagte gestern Holger Bruns-Kösters, Sprecher der Senatorin. Bis zum Februar soll ein Bericht fertig sein. Umso erstaunter waren die Beteiligten, als nun die Entscheidung des Koalitionsausschusses aus heiterem Himmel über sie kam.

Wischer, die am Sonntag nachmittag per Telefon von dem Beschluß informiert worden war, gab gestern auch sofort Laut: „Das ist absurd“, ließ sie verkünden. „Man kann nicht prüfen lassen und dann vorab einem Dritten den Zuschlag geben.“ Und die SPD-Umweltpolitikerin Hammerström ist nicht minder sauer: „Das wurde in der Fraktion nicht diskutiert. Wir Fachpolitiker wissen von gar nichts.“ Etwas drastischer wird da schon Dieter Bietendübel, Personalrat bei den BEB. Er hat genauso wie seine KollegInnen die Nachricht aus der Zeitung erfahren. „Jetzt fühlen sich die Kollegen verarscht von der gesamten Politik.“ Der Personalrat habe den ganzen Montag über versucht, irgendjemanden zu erreichen, der den Sonntagsbeschluß erläutern könne – nur sei dazu niemand in der Lage gewesen.

Der BEB-Führung ging es kaum anders. „Seit Oktober tagt das Fachgremium“, sagte Friedhelm Behrens, „und dann entscheidet mal eben der Koalitionsausschuß. Das erscheint uns nicht so ganz durchdacht.“ Die BEB haben neben der fehlenden fachlichen Beratung gleich drei gute Gründe gegen eine Übernahme durch die Stadtwerke. Erstens sei es moralisch fragwürdig, mit dem Verkauf von Anlagevermögen, das aus Gebühren bezahlt worden sei, ein Investitionsprogramm zu füttern. Zum zweiten mache die Anbindung an die Stadtwerke organisatorisch keinen Sinn. Behrens: „Wir betreiben seit zwei Jahren genau die Umstrukturierung, die die Stadtwerke noch vor sich haben.“ Drittens aber sei der Beschluß rechtlich gar nicht haltbar. Erlöse aus der Übernahme in den Stadtreparaturfonds – geht nicht, sagt das Münsteraner OVG in einem Urteil aus dem letzten Jahr: Wenn ein gebührenfinanzierter Betrieb verkauft wird, dann muß der Erlös an den Gebührenzahler zurückgegeben werden.

Was nun aus dem Beschluß wird, war gestern völlig unklar. Alle Welt wartet jetzt erstmal auf den genauen Wortlaut. Unterdessen wird bei der Fach-Arbeitsgruppe mit Hochdruck an einem Vorschlag gearbeitet, und ein Sprecher der Stadtwerke hat ein Kooperationsmodell seines Hauses mit den BEB angekündigt. Das sei auch noch nicht fertig, „aber wir wissen so ungefähr, was die Politik sich vorstellt.“

Am 15 Februar will sich der Koalitionsausschuß das nächste mal treffen – zwischen Valentinstag und Rosenmontag. J.G.

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