■ Selbsttötung?: „Nur im Kriegsfall verständlich“
Stefanie Rottenecker, 19 Jahre, Abiturientin
In unserer Schule gab es jemanden, der sich von einem Hochhaus geworfen hat. Es war allgmein bekannt, daß er drogenabhängig war. Bei ihm sei ja klar gewesen, daß er sich umbringen würde, hieß es. An der Schule war überhaupt keine Trauer zu spüren. Ich war ziemlich fertig. Der war ein Jahr älter als ich. Ich bin mit Freunden zur Beerdigung gegangen, obwohl ich ihn nicht gut kannte.
Ilse Hofmann, 82 Jahre, Rentnerin
Meine Cousine hat den Freitod gewählt. Sie hatte es vorher schon zweimal versucht. Sie war lebensmüde. Irgendwann war sie auch im Kopf nicht mehr ganz so klar, weil der Gedanke, sterben zu wollen, so überhandgenommen hatte. Sonst eine sehr kluge Frau, auch in handwerklichen Dingen sehr geschickt. Und dann ging das eines Tages mit ihr los: Ich will nicht mehr. Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten.
Stefan Bernhard, 24 Jahre, Student
Ein Freund von mir ist schwul, und dessen damaliger Lebensgefährte hat sich umgebracht. Den hat das sehr mitgenommen. Ein Jahr lang ist der in einer sogenannten Nervenheilanstalt verschwunden. Ich habe nichts gegen Suizid, aber ich glaube, das wichtigste ist, daß man an die Leute denkt, die man zurückläßt. Aus meiner christlichen Überzeugung heraus lehne ich für mich den Suizid ab.
Hannelore Steffenhagen, 41 Jahre, Angestellte
Gehört habe ich schon viel darüber, ich gucke mir entsprechende Reportagen im Fernsehen an. Aber persönlich bin ich bislang nicht betroffen. Wenn sich jemand aus meinem Freundeskreis umbringen wollte, wüßte ich nicht, was ich tun sollte. Es gibt wohl Stellen, wo man Selbstmordgefährdete hinschicken kann, aber daß man sie von ihrem Vorhaben abbringen kann, bezweifle ich.
Igor Jakowlew, 41 Jahre, Friedhofsgärtner
Ein Freund von mir hat sich an der Klospülung aufgehängt. Er war allein gewesen und hatte vorher viel Alkohol getrunken. Vor sechs Jahren war das. Wir haben uns dann Vorwürfe gemacht, daß wir uns nicht stärker um ihn gekümmert hatten. Schließlich wußten wir, daß er sich schon seit längerem unglücklich fühlte. Ich halte Selbstmord für keine gute Lösung. Du lebst schließlich nur einmal.
Heinz Niburg, 63 Jahre, Elektroniker
Ein Meister in unserer Firma hat sich das Leben genommen, weil er Nierensteine hatte. Der ist von der Brücke am Stößensee gesprungen. Wir haben dann überlegt, ob der Grund wirklich die Krankheit oder die angekündigte Versetzung war. Nur im Kriegsfall kann ich Selbsttötung nachvollziehen: Wenn einer in russische Gefangenschaft gerät, dann verstehe ich, daß der sich eine Kugel in den Kopf jagt.
Umfrage: Christoph Oellers
Fotos: Marco Limberg / X-Press
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