: Junker müssen ackern oder schweigen
Enteignete Großgrundbesitzer gehen beim Landverkauf in Ostdeutschland weitgehend leer aus. Dafür kommen die LPG-Nachfolger zum Zuge, die schon heute Pachtverträge haben ■ Von Hannes Koch
Berlin (taz) – Der Trecker ist abgefahren: Ritter, Grafen und Barone werden ihre Macht im deutschen Osten nicht zurückgewinnen. Die zwischen 1945 und 1949 von den sowjetischen Besatzungsbehörden enteigneten Adelsgüter bleiben größtenteils in exproletarischer Hand.
In Zukunft werden die Nachfolger der Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaften (LPG) der ehemaligen DDR rund 60 Prozent des Landes bewirtschaften. Am Freitag passierte die Flächen-Erwerbsverordnung, die diese Landverteilung festschreibt, den Bundesrat.
Damit kann am 2. Januar 1996 der Verkauf von rund einer Million Hektar Acker- und Grünland und 620.000 Hektar Wald in den fünf östlichen Bundesländern beginnen. Nach Weltkrieg und Enteignung waren daraus die volkseigenen Güter der DDR entstanden. Jetzt organisiert die Berliner Bodenverwertungs- und Verwaltungs-GmbH (BVVG), ein Treuhand-Ableger, die Privatisierung. Während die Bundesregierung mit dem 1994 beschlossenen Entschädigungs- und Ausgleichsleistungs- Gesetz, auf dem die neue Verordnung basiert, ursprünglich die adligen Alteigentümer bevorzugen wollte, haben sich die Bundesländer und die anderen Parteien für diejenigen eingesetzt, die das Land tatsächlich beackern.
Und das sind vor allem die LPG-Nachfolger. Ihnen kommt folgende Regelung zugute: Wer Land kaufen will, muß mit der BVVG zuvor einen mindestens sechsjährigen Pachtvertrag abschließen. Den wiederum gibt es nur, wenn die Pächter in spe erklären, wie sie das Land sinnvoll bewirtschaften wollen. Für rund 600.000 Hektar oder 60 Prozent der zu verteilenden Äcker halten heute schon „juristische Personen“, Ex-LPGs also, die Pachtverträge. Sie wissen, was mit dem Land anzufangen ist.
Nicht so die adligen Alteigentümer: Weil ein Nutzungskonzept verlangt wird, scheidet Landkauf aus bloßer Familientradition oder zu Spekulationszwecken weitgehend aus. Tatsächlich haben enteignete Großgrundbesitzer bis heute nur rund 60.000 Hektar (sechs Prozent) der ehemaligen Güter gepachtet. Auch wenn man einen Teil der „ortsansässigen Wiedereinrichter“ – Bauern, die alte Höfe wiedereröffnen – der Adelsfraktion zuschlägt, steigt deren Anteil nicht über 20 Prozent.
Die Vorentscheidung über die Herrschaft auf dem Felde ist damit gefallen. Die jetzigen Pächter haben ein Vorkaufsrecht, und die BVVG rechnet damit, daß die LPGs dieses Recht nicht verfallen lassen. Denn die Konditionen für den Landkauf sind sehr günstig. Ein Hektar kostet durchschnittlich 3.000 Mark, was in manchen Regionen nur etwa ein Fünftel des tatsächlichen Marktwertes ausmacht.
Etwas anders sieht es beim Verkauf der enteigneten Wälder aus. Ein Pachtvertrag gilt nicht als Voraussetzung für den Kauf. Doch auch hier rechnen Experten der ostdeutschen Landwirtschaftsministerien nicht damit, daß große Flächen in den Besitz der blaublütigen Jäger zurückgelangen. Oft fehlt dem verarmten Landadel einfach das Geld.
Die Sache ist freilich noch nicht ausgestanden. Dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe liegen Beschwerden von Alteigentümern vor, die das Gesetz und damit auch die Verordnung anfechten.
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